Bragg 04 - Dunkles Verlangen
Thomas’ Richtung. »Wie lange ist Lindley schon hier?«
»Er ist kurz nachdem Ihr weggefahren seid gekommen, Sir«, erwiderte Thomas missbilligend.
Der Earl wurde wütend. »Hast du ihm denn nicht gesagt, dass ich weggefahren und erst in einer Stunde wieder da bin?«
»Er wollte Lady Jane besuchen, Euer Lordschaft«, sagte Thomas.
Der Earl wurde noch wütender – und eifersüchtig und misstrauisch. Dann war Lindley also gekommen, um Jane zu besuchen. Sehr schlau von dem Mann, hier aufzukreuzen, während er selbst gerade unterwegs war. Ob Lindley eigens gewartet hatte, bis er – sein bester Freund – das Haus verlassen hatte, bevor er unten vorgefahren war? Er schob den widerwärtigen Gedanken beiseite und rief sich zur Ordnung. Konnte er seine absurden Verdächtigungen nicht endlich einmal in den Griff bekommen? Aber verdammt: Wenn sein bester Freund ihn nun in seinem eigenen Haus mit seiner frisch angetrauten Frau hinterging?
Er trat in das Damenzimmer.
Die beiden saßen natürlich auf ein und demselben Sofa, zwischen sich nur einen geringen Anstandsabstand. Lindley erzählte gerade eine lustige Geschichte, und Jane hörte ihm lächelnd zu. Eine sehr behagliche, ja vertrauliche Situation. Als der Earl hereinkam, unterbrach sich Lindley mitten im Satz, und auch Janes Lächeln war augenblicklich verschwunden. Zweifellos waren die beiden hocherfreut, ihn zu sehen. Der Earl bleckte die Zähne. »Hallo, Lindley.«
Raversford stand auf. »Hallo, Shelton.« Auch er blieb ernst.
»Was für eine Überraschung«, sagte der Earl sarkastisch und sah mal Lindley, mal Jane an. In ihrem rosa Morgenmantel, mit ihrem locker hochgesteckten Haar, von dem ihr einzelne Strähnen ins Gesicht fielen, sah sie einfach bezaubernd aus. Auch ihre Wangen hatten sich rosa verfärbt. Etwa von seinen Küssen?
»Möchtest du eine Tasse Tee?«, fragte Jane höflich.
»Ich fürchte, ich störe hier nur«, sagte er bissig und sah Lindley durchdringend an. »Ich störe doch – oder vielleicht nicht?«
Lindley schob die Hände in die Hosentaschen. »Nein, du störst nicht, Nick«, sagte er ruhig.
»Nein? Aber ich möchte euer kleines Téte-á-téte keinesfalls stören.« Seine Augen versprühten Silberblitze.
»Mach dich doch nicht lächerlich«, brauste Jane auf und erhob sich. »Dein bester Freund ist hierhergekommen, um seine Aufwartung zu machen. Ich bin deine Frau, und du warst unterwegs. Hätte ich ihn vielleicht wieder wegschicken sollen?«
»Hättest du das?«, fragte der Earl.
Lindley fühlte sich unbehaglich. »Ich glaube, ich sollte jetzt besser gehen.«
Gute Idee, hätte der Earl am liebsten gebrüllt, hielt aber den Mund. Er durchbohrte Lindley mit Blicken. »Warum plötzlich so eilig? Bleib doch noch. Meine Frau scheint deine Gesellschaft außerordentlich zu schätzen«, ließ er spöttisch verlauten.
»Ich habe noch Termine«, sagte Lindley. Er beugte sich über Janes Hand. Zu seinem eigenen Glück küsste er sie nicht. Er nickte dem Earl zu und machte einen etwas verunsicherten Eindruck – oder hatte er etwa ein schlechtes Gewissen? Dann ging er.
Jane ballte die Fäuste, ihre Wangen hatten sich dunkel verfärbt. »Du hast dich wieder mal wie ein vollendeter Rüpel aufgeführt!«
»Wie ein Rüpel? Weil ich ihn gebeten habe, noch zu bleiben?«
»Du hast ihn vertrieben.«
»Habe ich etwa deine Pläne durchkreuzt?«, fragte er drohend.
»Pläne? Ich weiß überhaupt nicht, wovon du sprichst.«
»Nein? Und warum bist du dann so wütend – etwa weil Lindley weg ist? Oder weil ich wieder da bin?«
»Du Dummkopf! Wütend bin ich nur, weil du deinen guten Freund verächtlich behandelt hast. Weil du dich unerträglich rüpelhaft benommen hast!«, schrie Jane.
»Und wieso interessiert es dich, wie ich mich benehme?« Er hoffte, sie würde sagen, sein Benehmen sei für sie so wichtig, weil er schließlich ihr Mann sei. Doch er wurde enttäuscht.
»Warum mich das interessiert? Weil Lindley unser Freund ist – und außerdem bei uns zu Gast!«
»Ach, dann ist Lindley jetzt auch schon dein Freund, Jane. Hat er dir nicht kurz vor unserer Hochzeit noch den Hof gemacht? Wie konnte ich das nur vergessen? Er wusste, wo du wohnst, und hat mir deine Adresse verschwiegen. Er wusste von Nicole und hat mir nichts von ihr erzählt. Wenigstens wart ihr zu der Zeit sehr vertraut miteinander, oder sollte ich besser sagen: seid …? Und wie lange ist er schon dein Freund?«
Sie schnappte nach Luft, wich vor ihm zurück. »Du bist
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