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Bragg 04 - Dunkles Verlangen

Bragg 04 - Dunkles Verlangen

Titel: Bragg 04 - Dunkles Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
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in Bewegung zu setzen. Während er die Treppe hinunterging, lauschte er dem Wohlklang ihrer Stimme, bis er sie irgendwann nicht mehr hören konnte.
     
    Jane musste immer wieder an die merkwürdige Situation denken. Ob der Earl gerne hereingekommen wäre? Ob sie ihn hätte hereinbitten sollen? Sie hatte Schuldgefühle, weil sie es nicht getan hatte, fühlte sich schlecht und grausam. Aber hatte er nicht selbst zu Chad gesagt, dass er verabredet sei? Verabredet. Pah! Ganz sicher mit dem verdammten Flittchen Amelia. Allein die Vorstellung tat weh, so weh, dass sie sich redlich bemühte, nicht mehr daran zu denken. Aber Jane wurde von der Flut ihrer Gedanken einfach weggespült. Nie hätte sie geglaubt, dass sich ihre Ehe mit ihm als so schmerzlich erweisen würde.
    Sie war müde, völlig erschöpft. Die letzten Tage waren einfach schrecklich gewesen: einerseits die permanenten Spannungen mit dem Earl, auch wenn sie ihn nur selten zu Gesicht bekam, andererseits der Skandal, an dem ganz London sich weidete. Das Theater war an diesem Abend wieder sehr voll gewesen, wenn auch nicht völlig ausverkauft. Die Zwischenrufer hatten sich übler aufgeführt denn je. Ein paar Betrunkene in der ersten Reihe hatten sie im letzten Akt pausenlos mit Beleidigungen bombardiert. Jane hatte sie, so gut es ging, ignoriert. Als die Männer sich dann auch noch nach dem Preis des gefallenen Engels erkundigt hatten, war sie beinahe zusammengebrochen. Nach der Vorstellung hatte sie sich in der Garderobe völlig erschöpft auf das Sofa fallen lassen.
    »Ich weiß etwas, um dich aufzumuntern«, sagte Lindley, als er in das Zimmer trat.
    Jane spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Tränen des Selbstmitleids, die er durch sein Erscheinen ausgelöst hatte.
    »Was ist denn das?«, rief er, setzte sich neben sie und nahm ihre Hände. »Jane, du weinst doch nicht etwa?«
    Sie schniefte und kämpfte gegen die Tränen und den Impuls an, sich ihren ganzen Kummer von der Seele zu reden. »Nein, ist schon gut. Ich bin nur etwas müde.«
    Er strich ihr das Haar aus der Stirn. »Dieser verdammte Skandal setzt dir mächtig zu, nicht wahr?
    Sie nickte bekümmert.
    »Das geht vorbei.«
    »Ja, das sagen alle.«
    Er sah sie an, und sie spürte, dass er zu gerne gewusst hätte, wie es zwischen ihr und seinem Freund, dem Earl, stand. Doch er war zu sehr Gentleman, um zu fragen. Deshalb saß er einfach da, hielt ihre Hände und sagte dann: »Komm, gehen wir auf eine Party.«
    »Ich kann nicht«, sagte sie sofort. »Ich bin einfach zu müde.«
    »Ach, das ist keine offizielle Gesellschaft. Nur Künstler und Bohemiens und Studenten. Und jede Menge Wein und Essen und Spaß. Du kannst mir vertrauen«, sagte er und sah sie mit seinen braunen Augen aufrichtig an.
    Jane fing plötzlich an zu lächeln. »Woher kennst du denn Künstler und Bohemiens, Jon?«
    Er grinste. »Sag ich nicht.«
    Warum sollte sie denn nach Hause gehen, während der Earl sich mit Amelia amüsierte? Plötzlich war sie entschlossen, sich ebenfalls zu amüsieren und das Leben zu genießen. »Na gut. Ich muss mich nur noch abschminken und etwas anderes anziehen.«
    Das Fest fand in einem Keller in einem alten Gebäude unweit der Waterloo Bridge statt. Der im Pariser Stil eingerichtete Keller galt als eine Art Avantgarde-Café. Als die beiden die wackelige Treppe hinuntergingen, hörten sie von unten dumpfes Stimmengewirr. Lindley hielt Janes Arm, da sie hochhackige rote Schuhe trug. Als sie unten angekommen waren, stieß Lindley eine hohe Glastür auf. Der schwach beleuchtete Raum war verraucht und überfüllt. Überall voll besetzte kleine Tische, aber auch in den Gängen herrschte Gedränge. Die eine Hälfte der Gäste war elegant gekleidet – wie für einen Theater- oder Opernabend –, die übrigen waren vor allem leger gekleidete Studenten. Ein paar Damen trugen sogar Pumphosen und rauchten Zigaretten. Neben einem Piano, dem ein Mann mit einem gepflegten Oberlippenbärtchen eine mitreißende Melodie entlockte, stand eine bildschöne Afrikanerin und sang. In der Nähe des Klaviers tanzten zwischen den voll besetzten Tischen ausgelassen einige Bohemien-Paare.
    Janes Müdigkeit war sofort wie weggeblasen. Sie sah dem grinsenden Lindley ins Gesicht und fing an zu lachen. »Komm, tanzen wir«, rief sie plötzlich.
    Lindley war entzückt. Er legte eine Hand auf ihren Rücken und steuerte sie mit der anderen durch den Gang. Sie tanzten nicht etwa einen Walzer, sondern einen südamerikanischen

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