Bragg 04 - Dunkles Verlangen
verhindern. Sie spürte genau, dass der Earl sie beobachtete, während sie das kleine Mädchen sanft zurechtwies. Nicole gurgelte fröhlich und fing an, mit ihren kleinen Ärmchen den Servierwagen zu traktieren. »Rot, rot«, kreischte sie aufgekratzt.
»Was will sie denn?«, fragte Chad und machte ein angewidertes Gesicht.
»Du musst jetzt essen, nicht spielen«, ermahnte Jane ihre Tochter, reichte ihr eine frische Scheibe Toast und entfernte die Krümel, die vor Nicole auf dem Tisch lagen. »Hier, schau mal, Mami hat eine Scheibe Brot für dich.«
»Papa, darf ich Jetzt gehen?« Chad stand bereits.
Auf dem Gesicht des Earls erschien ein liebevolles Lächeln. »ja, geh nur.«
Chad rannte los, doch der Earl rief ihn noch einmal zurück. Der kleine junge umarmte seinen Vater rasch und schoss dann wieder davon. »Chad. Und was ist mit Jane?«
Chad grinste, rannte zu Jane, hauchte ihr einen Kuss auf die Wange, dann war er auch schon verschwunden.
»Und fleißig lernen«, rief Jane ihm hinterher.
Nicole schob sich gerade genüsslich ein Stück Brot in den Mund.
»Das Kind hat wirklich einen gesegneten Appetit«, sagte der Earl.
Jane blickte ihn an, sah aber sofort wieder weg. »Ganz der Vater.« Dann saßen die beiden wieder schweigend da. Du hast nicht nur bei Tisch einen mächtigen Appetit, dachte Jane errötend.
Der Earl machte sich an der Times zu schaffen, warf ihr aber zwischendurch immer wieder kurze Blicke zu. Jane legte sich umständlich allerlei Essbares auf den Teller, obwohl sie nicht hungrig war. Sie musterte heimlich seine großen kräftigen Hände und konnte sich plötzlich wieder ganz genau daran erinnern, wie sich diese Hände auf ihrer Haut angefühlt hatten.
Andererseits spukten ihr seine außerehelichen Aktivitäten ständig im Kopf herum. Trotzdem war sie an diesem Morgen einfach zu schwach, um sich über ihn zu ärgern.
»Darf ich?«, sagte sie und zeigte auf die Zeitung.
»Natürlich«, entgegnete er und reichte ihr das Blatt. Dann schenkte er sich frischen Kaffee ein, bis er plötzlich bemerkte, dass ihre Tasse ebenfalls leer war. »Oh, entschuldige«, sagte er leicht errötend und goss ihr Kaffee nach.
»Ach, das macht doch nichts«, sagte sie scheu und war sehr gerührt über seine Geste.
Die beiden sahen sich an, diesmal länger. Er wandte den Blick als Erster wieder ab.
Jane knabberte an ihrem Toast, trank von ihrem Kaffee und blätterte in der Times. Sie war sich der Gegenwart ihres Mannes nur zu deutlich bewusst und beachtete die Schlagzeilen kaum. Bis ihr Blick im mittleren Teil der Zeitung an einer fetten Überschrift hängen blieb. Sie schnappte nach Luft.
GEFALLENER ENGEL!
Eine schreiende Schlagzeile. Neben dem Artikel waren zwei Bilder abgedruckt, eines, das den Earl zeigte, ein anderes mit ihrem Konterfei. Jane überflog die Seite und bemerkte sogleich, dass in dem Text sämtliche schmutzigen Details ihrer stürmischen Beziehung mit dem Earl breitgetreten wurden. Es hieß dort, dass er bis heute ihr Vormund sei, dass sie die Mutter seiner einjährigen unehelichen Tochter sei, dass sie und der Earl erst vor Kurzem geheiratet hätten und dass er überdies eine Mätresse habe und sie mit ihrem Impresario und »sehr guten Freund« liiert sei.
»Was gibt es denn?«, fragte der Earl beunruhigt.
»Schau dir das an!«, rief Jane bleich und starr vor Schrecken.
»Schau dir das nur an!«
Sie schob die Zeitung über den Tisch, und der Earl fing an zu lesen. Sein Gesicht verfinsterte sich zusehends und wurde immer grimmiger.
»Gestern Abend im Theater haben mich die Reporter mit ihren widerlichen Fragen bombardiert – über dich und mich, über Nicole, über unsere Vergangenheit!«, berichtete Jane aufgebracht. »Und vorgestern Abend auch schon. Das Stück war eigentlich schon so gut wie tot, aber seit unserer Heirat vor zwei Tagen ist das Haus jeden Abend ausverkauft. Doch die Leute kommen nicht etwa wegen der Inszenierung, sondern weil sie unbedingt den ›gefallenen Engel‹ sehen wollen. Für das Publikum bin ich jetzt offenbar nicht mehr die Schauspielerin, sondern eine Art Fabelwesen.«
»Oh, das tut mir aber leid«, sagte der Earl mit belegter Stimme. »Mein Gott, wie leid mir das tut.«
Jane sah ihn jetzt unverwandt an und ließ ihrer Frustration und ihrer Wut freien Lauf. »Wie konntest du nur«, rief sie und stand auf. »Wie konntest du gestern nur mit Nicole in den Park fahren? Wie konntest du!«
»Jane, sie ist immerhin meine Tochter.«
»Aber du hättest
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