Bragg 04 - Dunkles Verlangen
streichelte ihre Wange. »Ich bin für dich da. Ich glaube, das habe ich hinlänglich bewiesen. Du weißt, dass du auf mich rechnen, dass du mir vertrauen kannst.«
Er stand auf und begab sich in seine Räume. Jane sah ihm nach. Sie biss sich auf die zitternde Unterlippe. Dann ließ sie sich seitlich auf das Sofa kippen und klammerte sich an ein großes Kissen. Sollte sie Lindley wirklich heiraten?
Oh Gott. Es sah ganz so aus, als ob das Schicksal genau das mit ihr vorhatte.
»Oh Nicholas«, flüsterte sie. »Habe ich wirklich das Richtige getan?«
Kapitel 52
»Liebling«, sagte Grace Bragg und setzte ein halb süßes, halb boshaftes Lächeln auf, »wie wäre es denn, wenn du dich jetzt mit John in dein Arbeitszimmer zurückziehst und ihr euch dort jenen Dingen widmet, mit denen ihr Männer euch in euren exklusiv männlichen – dem schönen Geschlecht meist verschlossenen – Zitadellen so gerne beschäftigt? Dort könnt ihr rauchen und trinken und euch in ein intellektuelles Gespräch vertiefen, wie ihr Männer es so gerne tut. Was hältst du davon?« Die groß gewachsene, kurvenreiche Brünette beugte sich über ihren Ehemann und sah ihn mit einem strahlenden Lächeln an. Sie hatte ein außerordentlich schönes Gesicht. Wie Jane und Lindley saß auch Rathe, dem diese Ausführungen galten, träge am Esszimmertisch. Er war ein großer, muskulöser, umwerfend gut aussehender Mann, den das Ansinnen seiner Frau sichtlich überraschte. Er sah sie mit seinen großen blauen Augen mit gespieltem Erschrecken an. Grace drückte ihre Wange gegen sein Gesicht. »Liebling, vielleicht könntet ihr sogar ein bisschen spielen.«
Plötzlich legte er seinen starken Arm um ihr Taille und ließ sie in dieser intimen Haltung etwas zappeln. »Möchte meine Frau mich etwa loswerden?«, fragte er leise und mit lachenden Augen und brachte seinen Mund ganz nahe an ihr Ohr. »Wie kommt es denn, dass meine emanzipierte Gattin mich plötzlich dazu drängt, meinen antiquierten, chauvinistischen, typisch männlichen Vorlieben zu frönen?«
Grace errötete. Während der stürmischen Brautzeit der beiden unten in Natchez am Mississippi hatte Grace ihrem Zukünftigen ein- oder zweimal (oder auch öfter!) seine männliche Arroganz und andere spießbürgerliche Eigenschaften vorgehalten. jetzt bedachte sie ihn mit einem noch süßeren und noch boshafteren Lächeln. »Liebling, kennst du etwa nicht den Spruch: ›Einem geschenkten Gaul …‹?«
»Ist das die wilde, aufrührerische Suffragette, die ich geheiratet habe?«, neckte er sie. »Oder bist du etwa nur dein Double? Teile ich womöglich das Bett mit einer Fremden?«
Sie verpasste ihm einen leichten Klaps, machte sich von ihm los und zwinkerte Jane zu, die fast wehmütig zusah, wie vertraulich und offen die beiden miteinander umgingen. Es war nicht zu übersehen, dass sich die beiden mit sehr viel Liebe, Zuneigung und wechselseitigem Respekt begegneten. Allerdings war Grace in der Tat eine bewundernswerte Frau: so stark in ihren Überzeugungen und so gut erzogen und intelligent. Aber auch Rathe erschien Jane wie der ideale Ehemann. Er war nicht nur gut aussehend, männlich und äußerst anziehend, sondern zudem ein erfolgreicher Geschäftsmann. Außerdem betete er seine Frau an, das war offensichtlich.
»Na gut. Ich habe verstanden«, ließ Rathe verlauten und stand vom Tisch auf. Er zwinkerte den anderen zu. Wenn er lächelte, erschienen auf seinen Wangen tiefe Grübchen. Diese Ähnlichkeit zwischen den Brüdern versetzte Jane jedes Mal einen Stich ins Herz. Die Grübchen waren allerdings die einzige Ähnlichkeit. Rathe hatte nämlich blondes Haar und blaue Augen. Er lächelte gerne, machte Späßchen und schien die Welt, seine Familie und sich selbst zu mögen. Jane war tief betroffen. Wie war es nur möglich, dass von zwei Brüdern der eine so fröhlich und unbeschwert sein konnte, während der andere das Leben oft so schwer nahm? Aber seit sie in sein Leben getreten war, hatte sich auch Nicholas verändert und häufiger gelächelt, gelacht oder kleine Späße gemacht. Oh Gott, wie schrecklich sie ihn vermisste.
»Dann wollen wir mal, Lindley. Was hältst du davon, wenn wir uns jetzt unseren antiquierten männlichen Zerstreuungen widmen?«, sagte Rathe.
»Klingt nicht schlecht.« Lindley grinste und drückte Janes Schulter, als er an ihr vorbeiging. Rathe besaß sogar die Kühnheit, Grace im Hinausgehen einen Klaps auf den Hintern zu verpassen. Grace schnappte nach Luft
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