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Bragg 04 - Dunkles Verlangen

Bragg 04 - Dunkles Verlangen

Titel: Bragg 04 - Dunkles Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
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nur? Wo konnte sie nur sein? Und, um Gottes willen, warum war sie nicht hier?
    Er blickte in die Morgendämmerung hinaus und heulte auf – wie ein gequälter Wolf. Sie hatte ihn verlassen. Wieder hatte sie ihn verlassen.
    »Jane«, rief er mit zusammengepressten Augen. »Jane, Jane, du darfst mich nicht verlassen! Du darfst mich nicht schon wieder verlassen!«
    Doch er erhielt keine Antwort.
    In dem Haus ringsum war alles völlig still.
    »Warum?«, brüllte er mit geballten Fäusten. »Warum?«
     
     
     
     

III
     
    Das wiedergewonnene Paradies
     
    New York 1876
     
     

Kapitel 51
     
    Der Herbst war in diesem Jahr früh nach New York City gekommen. Als Jane über die Fifth Avenue eilte, leuchteten ihre Wangen in der ungewohnt frischen Luft rot auf. Die Blätter an den großen Eichen, die den Park säumten, verfärbten sich bereits rot und gelb. Die Eichhörnchen waren eifrig damit beschäftigt, ihren Wintervorrat anzulegen, und huschten zwischen den Ästen umher. Die Himmel war blau und wolkenlos, und das Sonnenlicht hatte bereits viel von seiner Leuchtkraft verloren. Es lag Schnee in der Luft. Doch Jane hielt sich nicht auf, um den schönen Anblick zu genießen.
    Noch nie hatte sie sich so elend gefühlt.
    Oh Gott, dachte sie wohl zum tausendsten Mal, wie soll ich das nur wieder überstehen?
    Es war ihr schwer genug gefallen, England den Rücken zu kehren, Nick dort zurückzulassen. Aber ihr war keine andere Wahl geblieben. Als seine Mätresse in London zu bleiben was sich auf den ersten Blick vielleicht angeboten hätte –, hätte für sie bedeutet, einen langsamen Tod zu sterben. Da Jane Nick von ganzem Herzen liebte, konnte sie ihn unter gar keinen Umständen mit einer anderen Frau teilen, erst recht nicht mit der Frau, der früher einmal seine Liebe gehört hatte. Nachdem sie einmal seine Frau gewesen war, konnte sie sich jetzt nicht mehr damit begnügen, seine Mätresse zu sein.
    Eigentlich hatte sie gar nicht vorgehabt, so überstürzt zu verschwinden, so überstürzt nach Amerika zu reisen. Sie war – noch völlig benommen und viel zu schockiert, um auch nur zu weinen – mit Molly und Nicole zu dem kleinen Haus in der Gloucester Street gefahren. Doch das Haus war ihr so leer und trostlos erschienen, so unpersönlich und unbehaglich. Jane hatte im Salon zwischen den aufgerollten Teppichen und den abgedeckten Möbeln gestanden. Alles hatte auf sie so nackt und steril gewirkt. Auch von ihren persönlichen Dingen war nichts mehr da gewesen. Und so war ihr plötzlich klar geworden, dass sie dort nicht bleiben konnte. Wäre sie geblieben, hätte sie sich Nicholas bedingungslos unterwerfen müssen. Wie hätte sie sich ihm denn unter solchen Umständen verweigern können? Wie hätte sie seine Bitte, seine Mätresse zu werden, unter diesen Bedingungen ablehnen können? Niemals hätte sie das gekonnt. Deshalb hatte sie beschlossen, nach Paris zu reisen.
    Aber dazu hatte sie natürlich Geld benötigt.
    Also hatte sie Lindley eine Nachricht zukommen lassen, und der war sofort erschienen. Lindley hatte sie dann überredet, nicht nach Frankreich, sondern nach New York zu fahren, wo er selbst in einigen Tagen in einer geschäftlichen Angelegenheit zu tun hatte. Allerdings wollte er erst in zehn Tagen reisen. Doch dann brachte Jane ihn dazu, mit ihr und Nicole auf dem ersten verfügbaren Dampfer nach Amerika zu fahren. Sie vermutete, dass er sich auf diesen Vorschlag nur deswegen eingelassen hatte, weil er sie noch liebte und sie so rasch wie möglich aus Nicholas’ Dunstkreis entfernen wollte.
    Jane ging mit raschen Schritten in das Regency Hotel in der Sixth Avenue. Die riesigen Marmorsäulen, die hohen Decken mit den Freskomalereien, die mächtigen Kristallkandelaber oder die zahllosen persischen Teppiche konnten sie nicht mehr sonderlich beeindrucken. Inzwischen hatte sie sich an diese Pracht gewöhnt. Als sie die Treppe zu den beiden benachbarten Suiten hinaufeilte, die Lindley und sie selbst bewohnten, ging ihr immer wieder ein Gedanke durch den Kopf. Sollte sie es ihm sagen?
    Sollte sie Lindley etwas davon sagen? Und was war mit Nicholas?
    Oh Gott, wie schrecklich sie Nicholas vermisste. Sie war tief unglücklich, und jeden Tag wühlte der Schmerz sie von Neuem auf, und das, obwohl schon ein Monat vergangen war. Diesmal würde sie sich von Nicholas’ Liebe nicht mehr erholen, das wusste sie ganz genau.
    Jane trat in ihre Suite und legte einige Päckchen ab. Sie war einkaufen gewesen. Kaum hatte sie sich

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