Bragg 04 - Dunkles Verlangen
gedient. Dann war er noch einmal für kurze Zeit nach Hause gefahren – ein äußerst unerfreuliches Erlebnis. Plötzlich hatte eine Wand zwischen ihm und seinem Vater gestanden, da Nick mittlerweile um seine fragwürdige Herkunft wusste und böse darüber war, -dass Derek ihn belogen hatte. Derek, der sonst so offen war, hatte sich zu dem merkwürdigen Verhalten seines Sohnes nicht geäußert. Nick wusste, dass seine Eltern glaubten, dass er sich durch den langen Krieg sehr verändert habe.
Im folgenden Frühjahr war er in England eingetroffen und hatte ein Jahr später die Clarendon-Erbin geheiratet. Nick hatte sich auf den ersten Blick in das Mädchen mit dem vollen dunkelblonden Haar, mit den mandelförmigen grünen Augen und der üppigen Figur, die einen Mann nur in hellstes Entzücken versetzen konnte, verliebt. Patricia war eine umwerfende Schönheit – und das wusste sie ganz genau.
Die beiden verbrachten vor der Hochzeit nur wenig Zeit miteinander. Er war enttäuscht über ihre kühle Art, nahm aber an, dass sie lediglich die »Form« wahrte, wie es in der englischen Gesellschaft so üblich war. Er hatte Angst, sie zu küssen – ausgerechnet er, der seit seinem vierzehnten Lebensjahr ständig irgendwelche Mädchen geküsst hatte. Trotzdem ließ er sich vor der Hochzeit zweimal dazu hinreißen, sie zu küssen. Das erste Mal zeigte sie überhaupt keine Reaktion und ließ ihn einfach gewähren – ihre Lippen so kühl und glatt wie Marmor. Beim zweiten Mal wies sie ihn zurecht und erinnerte ihn daran, dass sie eine Lady und noch nicht mit ihm verheiratet sei. Und das alles in einem derart herrischen Ton, dass Nick seinen Ohren kaum getraut hatte. Danach hatte er sie vor der Hochzeit kein einziges Mal mehr berührt.
So etwas wie Leidenschaft schien Patricia nicht zu kennen jedenfalls nicht für ihn. Sie ließ seine Liebesbekundungen einfach passiv über sich ergehen. Für ihn eine unglaubliche Enttäuschung.
Für Nick gehörte es einfach zum Leben, seine Sinnlichkeit auszuleben. Das lag gewiss auch an den Umständen, unter denen er aufgewachsen war. Seine Eltern hatten die Liebe, die sie füreinander empfanden, stets sehr offen gezeigt. Auch hatte sein Vater nie damit hinter dem Berg gehalten, wie viel ihm die körperliche Zuneigung zu seiner Frau bedeutete. Derek hatte Miranda ständig angefasst. Sooft sich eine Gelegenheit geboten hatte, war er am helllichten Tag mit ihr im Schlafzimmer oder hinter einem Heuschober verschwunden. Nick, Rathe und Storm wussten schon, was es zu bedeuten hatte, wenn Miranda in einer solchen Situation wieder einmal »Derek! Die Kinder!« gerufen hatte.
Deshalb hatte Nick in seiner Einfalt gehofft, mit Patricia eine ähnlich entspannte Ehe zu führen.
Als Patricia dann schwanger wurde, kam die ganze Wahrheit ans Licht. Sie verwies Nick ihres Bettes und ließ ihn wissen, dass ihr seine Berührungen zuwider seien. ja, sie schüttelte sich sogar angewidert, als sie ihm dies mitteilte. Nick war tief verletzt, sagte jedoch nichts, sondern drehte sich einfach um und ging aus dem Zimmer. Zugleich gelobte er sich, sie in Zukunft nie mehr zu berühren.
Doch nach Chads Geburt hatte er dieses Gelübde gebrochen. Er liebte sie ja. Er begehrte sie. Schließlich war sie seine Frau, und es war ihre Pflicht, ihm zu gehorchen. Also ging er zu ihr, und sie ließ es geschehen. Hinterher versuchte er mit ihr zu reden, die Wand niederzureißen, die sich zwischen ihnen aufgetürmt hatte. Doch sie hatte nur einen Wunsch: dass er ihr Bett und ihr Zimmer verließ, da sie schlafen wollte.
Und er war sogar so dumm gewesen, ihr alles zu sagen. Eines Tages war er halb betrunken – in der Hoffnung auf ein wenig Zärtlichkeit, ein einziges freundliches Wort, heimwehkrank, voll Sehnsucht nach seinen Eltern, seinem Vater, der nicht sein Vater war, Sehnsucht nach Patricias Nähe – zu seiner Frau gegangen. Sie wies ihn zwar nicht direkt ab, doch er hätte sich ebenso gut auf ein Brett legen können, so völlig unnahbar war sie. Anschließend lag er neben ihr und starrte zur Decke hinauf. Und dann fing er an, ihr von Chavez zu erzählen. Als er ihr mitteilte, dass er zu einem Viertel Indianer sei, wandte sie sich angewidert von ihm ab.
Sie fing hysterisch an zu schluchzen, beschuldigte ihn, ein Lügner und Betrüger zu sein. Sie weinte wegen Chad, für den sie bis dahin kaum ein Interesse bekundet hatte, und klagte, dass sie einen »Bastard« zur Welt gebracht habe. Dann sah sie Nick mit hasserfüllten
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