Bragg 04 - Dunkles Verlangen
»Oooh!«, rief Jane und stellte ihre Bemühungen ein. Ihre Hand lag auf seinem Rücken, und sie stand direkt neben ihm. Ihr Kleid berührte seinen linken Oberschenkel. So traf der Earl von Raversford die beiden an.
»Hallo, Shelton«, sagte er fröhlich und trat ohne Vorankündigung ein. Dann blieb er stehen und verschaffte sich rasch einen Überblick über die Situation. »Na, was haben wir denn da?« Er grinste.
Jane errötete und ging zu ihrem Stuhl zurück. Der dunkelblonde Mann musterte sie ganz ungeniert. Er hatte ein gut geschnittenes Gesicht und hielt mit seiner Bewunderung nicht hinter dem Berg. »Willst du mich denn nicht vorstellen, Shelton?« Wieder grinste er.
Der Earl erhob sich. »Verdammt, Lindley, ich habe völlig vergessen, dass du heute kommst.«
»Den Grund verstehe ich nur zu gut.« Jonathan Lindley blickte mit seinen braunen Augen vergnüglich umher. »In Gegenwart dieser jungen Dame würde ich ebenfalls meinen eigenen Namen vergessen.«
Der Earl machte ein leicht verärgertes Gesicht. »Die junge Dame ist mein Mündel. Die Enkelin des Herzogs von Clarendon.«
Jane stand auf und machte einen Knicks.
»Habe ich gar nicht gewusst, dass der alte Weston außer Chad noch andere Erben hat«, rief Lindley. Der Earl ließ diese Bemerkung unkommentiert. »Hallo.« Lindley nahm Janes Hand, verneigte sich und küsste sie. Obwohl es gegen die Regeln war, berührten seine Lippen ihre Hand.
Sie zog die Hand zurück, als ob sie sich verbrannt hätte.
Lindley lächelte, der Earl dagegen erschien deutlich angespannt. »Lass gut sein, Lindley«, warnte er. »Sie ist erst siebzehn.«
»Und Privatbesitz?« Als Lindley sich umdrehte, blickte ihm der Earl düster entgegen. Lindley hob die Hand. »War doch nur ein Spaß«, sagte er leise. Doch in seinen Augen war noch immer eine gewisse Neugier zu erkennen.
»Der Schein trügt«, erklärte Nick steif. »Ich hatte mich nur – äh – verschluckt.«
Lindley hob eine Braue.
»Deshalb habe ich ihm auf den Rücken geklopft«, ergänzte Jane.
»Aber sicher doch«, sagte Lindley. Er schien den beiden nicht recht zu glauben.
Thomas legte gerade ein weiteres Gedeck auf. Lindley sah den Earl mit einem leutseligen Grinsen an. »Soll das heißen, dass du auch das Rennen am kommenden Wochenende vergessen hast?«
Nick verzog das Gesicht. Er wusste noch, dass er eigentlich vorgehabt hatte, seinen Hengst No Regrets am kommenden Sonntag in einem Rennen mitlaufen zu lassen. Aber er hatte die Entscheidung lange aufgeschoben. Doch jetzt verkündete er: »Nein, verdammt noch mal, Lindley. Ich wollte dir schon eine Nachricht schicken. Habe ich leider verschwitzt. Ich kann hier am kommenden Wochenende nicht weg.«
Lindley kicherte. »Natürlich nicht. Würde ich an deiner Stelle genauso halten.«
»Was zum Teufel willst du damit sagen?«
»Ganz ruhig, alter Knabe, ich wollte dich nicht beleidigen. Können wir uns nicht zur Abwechslung mal setzen? Irgendwas riecht hier ganz fabelhaft.« Er sah Jane an und lächelte. »Scheint so, als ob ich gerade noch rechtzeitig gekommen bin.« Als er den Earl ansah, wurde sein Lächeln noch breiter.
Nick wusste, worauf sein Freund hinauswollte, und warf ihm einen warnenden Blick zu, der Lindley nicht weiter zu irritieren schien. Als sie schließlich Platz genommen hatten und Thomas Lindley das Essen serviert hatte, fing der hübsche Aristokrat eine Unterhaltung mit Jane an. »Dann erzählt mir doch bitte mal«, sagte er äußerst liebenswürdig. »Wie seid Ihr eigentlich hierher gekommen?«
Der Earl saß mit lässig ausgestreckten Beinen bequem zurückgelehnt auf dem großen braunen Ledersofa im Salon. Sein Blick schweifte zwischen Jane und seinem besten und einzigen Freund Lindley hin und her.
Jane spielte gerade etwas auf dem Klavier und sang dazu mit ihrer glockenklaren Stimme. Die kleine Gesangseinlage war Lindleys Idee gewesen. Mistkerl! Und jetzt beäugte dieser Lindley das Mädchen auch noch mit unverhohlener Bewunderung. Er war sichtlich von ihr angetan. Mistkerl!
Nick hatte sich bis dahin stets über Lindleys Besuche gefreut.
Er sah Jane an. Sie war überirdisch schön. Er sah Lindley an. Lindley war ein berüchtigter Lebemann. Er hatte Dutzende von Mätressen und bewunderte alle halbwegs reizvollen Frauen. Der geborene Frauenheld. Der Earl hatte schon öfter miterlebt, wie sein Freund eine Frau mit derselben Aufmerksamkeit bedachte wie jetzt Jane. Aber sie war noch zu jung für seine Avancen. Dem Earl gefiel das
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