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Bragg 04 - Dunkles Verlangen

Bragg 04 - Dunkles Verlangen

Titel: Bragg 04 - Dunkles Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
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musste, um an die betreffende Stelle zu gelangen. Auch sprach vieles dafür, dass er unterwegs Lindley und Jane auf ihrem Morgenritt begegnen musste.
    »Bist du verknallt?«, hatte Lindley gefragt.
    Bin ich das?, fragte er sich nun selbst.
    Allein die Frage verwirrte ihn schon. Deshalb schob er sie rasch wieder beiseite. Seine Aufgabe war es, für Jane einen Mann zu finden. Das wurde ihm von Tag zu Tag klarer. Er wusste, dass er sie nicht auf Dragmore lassen und alleine nach London fahren konnte, wie er es eigentlich geplant hatte. Nein, er musste sie unbedingt verheiraten, je früher desto besser. Und das hieß: Er musste sie mit nach London nehmen.
    Der Earl konnte London nicht leiden. Er hatte offen gestanden mit großen Städten grundsätzlich nichts im Sinn. Er war mehr für das Leben in freier Natur geschaffen – ein Mann, der lieber körperlich arbeitete als hinter einem Schreibtisch hockte. Aber er war auch ein starker Mann, ein Ehrenmann, ein Mann der Pflicht. Er hatte sich noch nie vor der Pflicht gedrückt, und er gedachte das auch in diesem Fall so zu halten. Die meisten Adligen weilten zu dieser Jahreszeit auf ihren Landgütern, aber schon im September, also in einem Monat, begann in London die Saison mit ihren Empfängen, Bällen, Maskeraden und sonstigen Lustbarkeiten. Er musste deshalb schon vor Beginn der Saison mit Jane nach London reisen. In die Gesellschaft einführen konnte er sie nämlich nur, wenn er sie zuvor angemessen einkleidete. Außerdem musste er nach Mitteln und Wegen suchen, sich selbst wieder in die Gesellschaft einzuführen.
    Einschüchtern lassen würde er sich jedenfalls von niemandem.
    Nick hatte sich in den Kreisen des Hochadels noch nie wohl gefühlt. Schon als junge nicht, als er seinen Großvater dreimal besucht hatte, um Dragmore und das Leben kennen zu lernen, das ihm für die Zukunft bestimmt war. Schon damals, also mit zwölf, vierzehn und sechzehn Jahren, hatte er sich in aristokratischen Kreisen vollkommen deplatziert gefühlt – wie ein Elefant im Porzellanladen. Der alte Earl hatte sich zwar mit sanftem Druck darum bemüht, die Manieren und das Auftreten seines Enkels zu korrigieren, doch Nick hatte sich für diese Dinge nie interessiert. Schon als Junge hatte er für dieses durch und durch künstliche Gebaren nichts übrig gehabt, vielmehr war ihm das ganze Getue völlig lächerlich erschienen: reine Zeitverschwendung. Dragmore selbst allerdings hatte es ihm sofort angetan. Wie die Ländereien seiner Eltern in den Staaten war auch dieser Besitz eine Ranch, wobei sich das englische Vieh wesentlich zutraulicher zeigte als die wilden texanischen Longhorns.
    Wenn er auf seinem Pferd auf dem 6000 Hektar großen Besitz unterwegs war, die Felder und die Viehherden, die Meiereien und die Schafställe oder die Vollblutpferde inspizierte, war der Earl in seinem Element.
    Wenn er dagegen in vornehmer Gesellschaft eine Teetasse zum Munde führte, war nicht auszuschließen, dass er das Porzellan zwischen seinen kräftigen Fingern zerbrach. Wenn er eine förmliche Verbeugung machte, konnte es leicht geschehen, dass er über seine eigenen Beine stolperte. Deshalb hatte Nick es sich schon seit Langem abgewöhnt, sich tief zu verneigen, und ließ es bei einem knappen Nicken bewenden.
    Schon während seiner frühen Englandaufenthalte waren die gleichaltrigen Aristokraten, mit denen sein Großvater ihn bekannt gemacht hatte, über ihn hergefallen. ja, sie hatten ihm sogar ins Gesicht gesagt, dass er in ihren Augen nichts war als ein primitiver Barbar. Bei einer dieser Gelegenheiten hatte Nick wie aus dem Nichts ein zwanzig Zentimeter langes Messer hervorgezaubert und einem dieser unverschämten jungen Schnösel die Klinge an die Kehle gesetzt. Hinterher hatte sein Großvater die Waffe sofort konfisziert und Nick verboten, je wieder ein solches Messer mit sich herumzutragen. Trotzdem hatte sich Nick sofort ein neues beschafft, da er es von Kindesbeinen an gewohnt war, eine solche Waffe bei sich zu tragen. Bis zum heutigen Tag hatte er im Schaft seines Stiefels ein Messer verborgen. Es steckte in einer Lederscheide, die an seiner Wade befestigt war.
    Ein Gutes hatte der Zwischenfall immerhin gehabt: Die jungen Aristokraten hatten sich seither nur noch hinter seinem Rücken über ihn lustig gemacht.
    Patricia hatte die Befürchtungen ihrer Standesgenossen offenbar nicht geteilt.
    Die Ehe war von langer Hand vorbereitet gewesen. Nick hatte noch bis zum Winter 1865 in der Nordstaaten-Armee

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