Bragg 04 - Dunkles Verlangen
Buchhälfte, die auf Janes Schoß ruhte. Dabei berührten sich die beiden an der Schulter.
»Oh, wie schön«, sagte Jane.
Die beiden schauten sich also Bilder an. Was für Bilder, vermochte er weder zu sagen, noch interessierte es ihn. Wenn die beiden schon so vertraut miteinander waren, wieso setzte Jane sich eigentlich nicht auf Lindleys Schoß? Der Earl knallte das Glas mit der unberührten Limonade auf den Tisch. Beide Köpfe blickten auf und sahen in seine Richtung. Nick kam ein Stück näher und erkannte, dass die beiden ausgerechnet – gepresste Schmetterlinge bewunderten. Er machte kehrt und verließ das Zimmer.
Oben warf er sich Wasser ins Gesicht und zog wütend ein frisches Hemd an. Die Hose vom Vormittag behielt er an. Warum sich die Mühe machen, sie zu wechseln? Lindley war ja perfekt gekleidet. Wenn sie unbedingt einen Pfau bewundern wollte, konnte sie sich ja an ihn halten. Wenn es ihr wichtig war, kostbare Gewürze und Moschus zu riechen, war sie bei Lindley an der richtigen Adresse. Dann rannte er wieder nach unten. In der Halle wäre er um Haaresbreite bäuchlings hingeschlagen. Er schlitterte ein paar Schritte und konnte sich gerade noch an einem Türpfosten festhalten. Verdammt noch mal: Der Boden war ja ganz nass. »Was ist hier denn los?«, stieß er zornig zwischen den geschlossenen Zähnen hervor.
Dann sah er das Dienstmädchen, das gerade damit beschäftigt war, den Boden im Gang feucht zu wischen. Als er sich wieder aufgerappelt hatte, sah er, wie Jane in der Tür stand – die Hände in ihre schmalen Hüften gestützt. »Warum musst du nur immer so viel Dreck mit ins Haus schleppen?«, schimpfte sie.
Er gaffte sie verständnislos an.
Hinter Jane stand Lindley und fing an zu lachen.
»Na und?«, entgegnete Nick und sah sie grimmig an. Sie schien über etwas verärgert zu sein.
»Wir sind hier nicht in Texas. Vielleicht kennt ihr ja in Texas nur Staub. Aber Pferde und Vieh gibt es dort auch – oder etwa nicht?«
Der Earl errötete.
»Wir haben schließlich einen Gast«, sagte Jane spitz. »Wenn er Wert darauf legt, durch Mist zu waten, kann er ja in den Stall gehen. Aber das hier« – sie machte eine ausholende Geste, und ihre großen blauen Augen blitzten auf – »ist meines Wissens kein Stall.«
Er spürte, wie er anfing zu schwitzen.
Überraschenderweise nahm sie seinen Arm. Die Berührung ging Nick durch Mark und Bein. Doch blieb ihm keine Zeit, sich über seine eigene Befindlichkeit Gedanken zu machen. Sie führte ihn in den Salon und trat mit ihm ans Fenster. »Schau dir das mal an.«
Er schaute auf den Rasen hinaus, sah die von den Hufen seines Pferdes zerfetzte Rasendecke. Dann beobachtete er Jane mit einem prüfenden Blick, während er Lindley ignorierte. Er war beschämt. »Warum zum Teufel ist dir das so wichtig?«, fragte er leise und blickte sie an.
Sie verzog keine Miene. »Es ist mir nun mal wichtig.«
Er warf den Kopf zurück und sagte eisig: »Der gottverdammte Rasen gehört mir, und das gottverdammte Haus auch, und wenn ich mit schmutzigen Stiefeln hier durchs Haus gehe, ist das ganz allein meine Sache.«
»Wie du meinst«, sagte Jane. »Du redest wie ein fünfjähriges Kind.«
Er war dunkelrot vor Zorn und Scham. Mit einem Ruck schob er die Hände in die Hosentaschen und drehte sich von ihr weg. ja, er fühlte sich in der Tat wie ein fünfjähriger Junge.
Lindley stand da und räusperte sich. »Wie wär’s, wenn wir irgendwann mal mit dem Essen anfangen? Mir ist, als hätte ich Roastbeef gerochen.«
Eigentlich hatte Jane überhaupt nicht die Absicht gehabt, den Earl vor Lindley zurechtzuweisen. Als sie jedoch die Hinterlassenschaften seiner Stiefel auf ihren spiegelblanken Böden gesehen hatte und dann noch den Rasen, war ihr endgültig der Kragen geplatzt. Ganz sicher konnte der Earl sich auch besser benehmen! Sie hatte das Gefühl, dass es besser war, den Vorfall nicht mehr anzusprechen, als sich zu entschuldigen. Genau. Und vielleicht würde der Earl ja sogar irgendwann anfangen, darüber nachzudenken, wie er sich bisweilen aufführte.
Als Jane sich vor dem Abendessen umkleidete, war sie sehr aufgeregt. Ein Abendkleid und passenden Schmuck hatte sie nun einmal nicht, auch wenn sie sich beides sehr wünschte. (Sich noch einmal in einem – wenn auch anderen – Abendkleid ihrer Mutter zu zeigen, wagte sie nicht!) Sie zog ein Kleid in einem gedeckten Rosaton an – ihr bestes Stück – und trug das Haar offen. Nur auf einer Seite steckte sie es
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