Bragg 04 - Dunkles Verlangen
Revers. »Also, Nick …, er hat alles über Nicole herausgefunden, und jetzt ist er auf dem Weg nach Brighton, um sie zu holen. Bitte! Du musst mir helfen. Ich flehe dich an!«
Lindley sah sie fragend an und begriff erst allmählich, worum es ging. Er legte den Arm um Janes Schulter. »Wir können uns darüber in der Bibliothek unterhalten. Richard, bringe uns etwas Tee und Toast.«
»Du hast mich nicht richtig verstanden. Wir dürfen keine Zeit verlieren.«
Lindley führte sie in eine prachtvolle Bibliothek und nötigte sie dort mit sanfter Gewalt, sich auf ein Sofa zu setzen. Er nahm neben ihr Platz und ergriff ihre Hände. »Nein, ich verstehe wirklich nicht recht. Hole erst einmal tief Luft und erkläre mir dann, weshalb du so außer dir bist.«
Jane schloss für einen Moment die Augen. »jon, ich habe Nicole mit Molly nach Brighton geschickt. Ich dachte, Nick weiß etwas von ihrer Existenz. Weshalb hätte er mich denn sonst unbedingt sehen wollen? Aber er hatte keine Ahnung. Ich weiß nicht, woher sein plötzliches Interesse an mir rührt. jedenfalls ist er heute Abend zu mir nach Hause gekommen. Und dann hat er entdeckt, dass es Nicole gibt. jetzt ist er auf dem Weg nach Brighton, um sie zu holen. Du musst mir helfen! Bitte – bitte!«
»Natürlich helfe ich dir. Aber ich verstehe noch immer nicht ganz.«
»Er will sie mir wegnehmen, begreifst du das denn nicht?«, redete Jane auf ihn ein. »Ich muss vor ihm in Brighton sein und mich dann mit Nicole vor ihm verstecken.« Sie ergriff seine Hände. »Ich brauche deine Hilfe. Begleitest du mich, hilfst du mir, kannst du mir Geld leihen, damit ich nach Frankreich gehen kann?«
Er sah sie an.
Jane schloss wieder die Augen – aus Verzweiflung und um ein Stoßgebet zum Himmel zu schicken.
»Jane, das ist nicht in Ordnung. Hat Shelton gesagt, dass er dir Nicole wegnehmen will?«
Jane sah ihn an. »Nein.«
»Dann …«
»Aber er wird sie mir wegnehmen. Du weißt doch, was für ein Mann er ist. Und er hat einen unbändigen Hass auf mich.«
»Na gut«, sagte Lindley. »Fahren wir also nach Brighton. Wir holen dort Nicole ab. Aber dann müsst ihr euch unbedingt aussprechen: Shelton und du.«
Jane wollte schon widersprechen, überlegte es sich dann aber anders. Nur nichts Falsches sagen. Er war also bereit, mit ihr nach Brighton zu fahren, um Nicole abzuholen. Sollte Lindley doch glauben, dass sie bereit sei, mit dem Earl zu sprechen.’ Erst musste sie Nicole haben. Dann konnte sie immer noch fliehen – nach Indien, wenn es nicht anders ging.
Lindley sah sie lächelnd an und drückte ihre Hand. »Wir machen uns gleich morgen früh auf den Weg.«
»Wir müssen sofort abreisen! Bitte!« Wieder fasste sie ihn am Revers.
Ihr Gesicht war so nahe vor ihm, dass er sie hätte küssen können. Und tatsächlich verlor er kurz die Beherrschung und küsste sie kurz und zärtlich. »Na gut. Scheint so, als ob ich dir gar nichts abschlagen kann.«
Jane ließ sich auf die Couch sinken. Geschafft, dachte sie. Doch als die beiden später am Vormittag in Brighton eintrafen, war es bereits zu spät. Nicole und Molly waren nicht mehr da.
Als Jane und Lindley am Spätnachmittag wieder in London ankamen, war Jane bleich und hohlwangig. So sehr Lindley sich auch bemühte, sie von den harmlosen Absichten des Earls zu überzeugen, sie war nicht von ihrer fixen Idee abzubringen. Noch mehr verschlechterte sich ihr Zustand, als sie im Haus Sheltons erfuhr, dass man den Earl dort seit dem Vorabend nicht mehr gesehen hatte und auch nichts über seinen derzeitigen Aufenthalt wusste.
»Er hat sie nach Dragmore gebracht«, sagte Jane verzweifelt.
Auch Lindley verzog das Gesicht. Es sah in der Tat so aus, als ob sie Recht hatte. »Jetzt bring ich dich erst mal zu dir nach Hause, Jane. Dort kannst du etwas essen und dich richtig ausschlafen. Morgen fahren wir dann nach Dragmore und sprechen mit Shelton. Was zum Teufel ist nur mit ihm los?«
»Er will mich verletzen«, platzte es aus ihr heraus. Dann fing sie wieder an zu stöhnen und ließ sich noch tiefer in den Sitz von Lindleys Kutsche sinken. Lindley wies seinen Kutscher an, in die Gloucester Street zu fahren.
»Ich will heute Abend noch nach Dragmore«, sagte Jane und sah Lindley an. Sie legte die Hand auf seinen Unterarm. »Bitte. Ich muss zu Hause nur noch schnell ein paar Sachen einpacken.«
»Jane, dazu bist du doch viel zu erschöpft. Du wirst noch krank.«
»Das ist mir egal. Es geht schließlich um meine Tochter.
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