Bragg 04 - Dunkles Verlangen
Der Salon war geschmackvoll und behaglich, hell und freundlich eingerichtet. Die Wände waren in einem frischen Gelb, die Vorhänge in einem cremigen Weiß gehalten. Der Teppich war ein leuchtendes Blumenmuster. Die bequeme Couch war grün bezogen, und selbst das Babyjäckchen, das sie offenbar gerade strickte, hatte einen hübschen rosa Ton. In den Vasen standen selbst gepflückte Blumen, keine Rosen, aber …
Er stutzte: ein Babyjäckchen?
Sein Blick blieb an der Strickarbeit hängen, die auf einem Stuhl lag. Das Jäckchen war rosa und fast fertig. Nur ein winziger Ärmel fehlte noch. Plötzlich hatte er eine Eingebung, und sein Herz fing an zu hämmern. Er ging zu dem Stuhl und hielt das fast fertige Jäckchen empor. »Was ist das?«
Die Frage war ein Befehl. Er drehte sich um und sah, dass sie kreidebleich geworden war. Er durchbohrte sie mit den Augen. »Das gehört Molly«, sagte sie. »Molly hat ein Kind.«
Er sah sie an. Sein erster Gedanke war, ob das Kind von ihm sein könnte. Doch dafür sprach nur wenig, da Molly ihre Gunst großzügig verschenkte. Dann kniff er die Augen halb zu, und sein Herz fing wieder an zu hämmern. »Soll das beißen, dass dein Dienstmädchen Molly es sich hier in deinem Salon bequem macht und Sachen für ihr Kind strickt?« Hatte er es doch die ganze Zeit gewusst: Jane hatte ein Geheimnis. Außerdem gab es keine plausible Erklärung dafür, weshalb sie solche Angst vor ihm hatte.
Jane errötete. »Warum nicht?«, sagte sie achselzuckend.
Sie belog ihn, das spürte er. Zum ersten Mal seit der Earl einen Fuß über ihre Schwelle gesetzt hatte, war Jane ruhig und gefasst. »Ich möchte das Kind sehen«, sagte er.
»Wieso?«
»Wieso? Weil der Fratz vielleicht von mir ist.«
Wieder errötete sie. »Du kennst doch Molly. Sie hat … hin, na ja, sie hat nun mal eine Schwäche für Männer. Glaub mir, das Kind ist nicht von dir.«
Sie sprach sehr bestimmt. Er sah sie mit einem zynischen Lächeln an. »Das würde ich gerne selbst sehen.«
»Die beiden sind nicht da.«
»Oh? Dann hast du sicher nichts dagegen, wenn ich mich hier ein wenig umschaue.«
Sie lief hinter ihm her. »Hör auf! Das ist mein Zuhause. Sonst rufe ich die Polizei.«
Sein Herz raste. Er ignorierte sie einfach und öffnete die Tür zu Mollys Zimmer. Er machte das Licht an. Wie er schon vermutet hatte, gab es in dem Raum kein Kinderbett und auch sonst keine Schlafgelegenheit für ein Baby. »Und wo schläft das Kind?«
Jane war kreideweiß. Sie stand schweigend da.
Er hätte sie am liebsten erwürgt.
Er rannte wütend die Treppe hinauf. Diesmal blieb sie wie gelähmt unten stehen. Er öffnete die erste Tür auf der linken Seite, machte eine Lampe an und sah, dass er sich in Janes Zimmer befand. Er blickte vielleicht eine Sekunde auf das Bett, das mit einem weiß bezogenen Plumeau bedeckt war. Dann trat er wieder aus dem Zimmer und steuerte eine zweite Tür an. Unten fing Jane an zu schreien und rannte wie wahnsinnig die Treppe hinauf. Er wollte gerade die Tür öffnen. Mit einem wahren Kriegsgeheul stürzte sie sich auf ihn und ergriff seine Hand. Ihre Fingernägel gruben sich tief in sein Fleisch. »Nein! Verschwinde! Ich will dich hier nicht mehr sehen!«
Er umklammerte mit der freien Hand ihre beiden Handgelenke und zwang sie, ihren Griff zu lockern. Dann drückte er sie gegen die Wand. Sie stand keuchend da, ihre Brust hob und senkte sich heftig, ihr Gesicht war rot vor Wut. Als er sie losließ, stürzte sie sich sofort wieder auf ihn. Sie ging mit den Fingernägeln wie mit Krallen auf ihn los, wollte ihm das Gesicht zerkratzen. Dabei brachte sie ihm auf der Wange eine lange Kratzwunde bei.
Er war außer sich vor Wut. Er bog ihr die Arme auf den Rücken und drückte sie gegen die Wand. Als er sich gegen sie drängte, spürte er zu seiner eigenen Bestürzung sofort sein drängendes Begehren. Sie versuchte noch einmal, sich aus seinem Griff zu befreien, was seine Wut nur noch steigerte. Dann ließ ihr Widerstand plötzlich nach.
Sie stand mit dicken Tränen in den Augen keuchend da. Auch der Earl atmete heftig. Ein Schauder ergriff seinen ganzen Körper. Noch immer begehrte er sie mehr als jede andere Frau in seinem ganzen Leben. Er sah ihr aus nächster Nähe direkt ins Gesicht und beugte sich vor, um sie zu küssen.
»Ich hasse dich.«
Er zuckte zusammen, dann lächelte er und entblößte dabei seine ebenmäßigen weißen Zähne. »Schön gesagt.« Sein Lächeln war wieder erloschen. Er zog sie
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