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Bragg 04 - Dunkles Verlangen

Bragg 04 - Dunkles Verlangen

Titel: Bragg 04 - Dunkles Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
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vorbeigehen. Aber natürlich dachte sie nicht mal im Traum daran, auf ihn zu warten. Und es interessierte sie auch keine Spur, wann er nach Hause kam. Dennoch lauschte sie immer wieder angestrengt, ob sie etwas hörte, und konnte nicht konzentriert lesen. Aber es waren weder auf der Treppe Schritte zu hören, noch fuhr unten im Hof auf dem Kiesbelag eine Kutsche vor. Verärgert klappte Jane ihr Buch zu und schaute auf die in Malachit gefasste Uhr. Es war zwei Uhr früh.
    Als sie schließlich unter ihrem geöffneten Schlafzimmerfenster die Kutsche, die Pferde und Stimmen hörte, streckte sie die Hand nach der Uhr aus und hielt sie sich ganz nahe vor das Gesicht, weil sie wissen wollte, wie spät es war. Die Zeiger und die Ziffern waren nur mit Mühe zu erkennen: Es war 4.30 Uhr.
    Sie wälzte sich auf den Bauch. Sie empfand seine späte Heimkehr als verletzend. Natürlich hatte er Mätressen, natürlich suchte er diese Frauen auf. Was ging sie das an? Tatsächlich hatte sie ihm sogar ausdrücklich erlaubt zu tun, wozu er Lust hatte. Aber warum, warum nur musste das alles so wehtun?
     
    Trotz ihres Berufes blieb Jane morgens nie lange im Bett und stand meist gegen acht Uhr auf. Sie hatte gar nicht erwartet, den Earl um diese Zeit noch anzutreffen, denn sie wusste noch, dass er in Dragmore bereits mit der Sonne aufgestanden und kurz darauf schon unterwegs gewesen war. Allerdings war er in Sussex nicht bis morgens um halb fünf mit Frauen unterwegs. Es hätte sie also nicht weiter erstaunen dürfen, als sie ihn mit der Times an dem großen Esstisch sitzen sah.
    Ihr Herz fing an zu flattern. Er würdigte sie kaum eines Blickes. Aber es befanden sich noch zwei weitere Gedecke auf dem Tisch, von denen eines bereits benutzt und verlassen war. Plötzlich begriff Jane, dass Chad das Frühstück gemeinsam mit seinem Vater einnahm. Sie hatte den jungen in den letzten Tagen bereits gesehen und gestaunt, wie sich ein Kind in zwei Jahren verändern konnte. Chad war jetzt sieben und hatte sich außerordentlich gefreut, sie wieder zu sehen. Außerdem war er begeistert darüber, dass Jane nun die Frau seines Vaters war. Wenigstens ein Familienmitglied, das meine Anwesenheit zu schätzen weiß, dachte Jane grimmig. Dass Nicole erwünscht war, stand sowieso außer Frage.
    Sie nahm rechts neben dem Earl am Tisch Platz. Er sagte nichts und sah nur einmal kurz über die Zeitung hinweg in ihre Richtung. Nicht einmal einen freundlichen Morgengruß war ihm Jane also wert. »Guten Morgen«, sagte sie, ohne ihn anzusehen, und goss sich aus einer Silberkanne eine Tasse Kaffee ein.
    Er grunzte etwas Unverständliches.
    Jane nahm sich ein Croissant. Während sie, ohne ihn eines Blickes zu würdigen, die Butter darauf verteilte, sagte sie schnippisch: »Und – hattest du gestern einen schönen Abend?«
    »Oh ja, sehr.«
    Mistkerl, dachte sie und verstrich wütend ihre Butter. Er legte die Zeitung beiseite und sah sie mit einem durchdringenden Blick an. »Und du?«
    »Wunderbar«, sagte sie ruhig. »Darf ich mal?« Sie zeigte auf die Times.
    Er ließ sich träge auf seinem Stuhl zurücksinken, der Jane mit seiner kunstvoll verzierten hohen Rückenlehne und den wie Klauen geschnitzten Armstützen eher an einen Thron erinnerte. Jane nahm die Zeitung und hielt darin nach den Theaterkritiken Ausschau. Im Gesellschaftsteil sprang ihr die Schlagzeile entgegen: »Herr der Finsternis heiratet Kleinen Engel!« Sie schnappte nach Luft und fixierte ihn mit ihren großen blauen Augen.
    Er sah sie lächelnd an. »Was gibt es? Immer noch nicht an deinen neuen Ruhm gewöhnt?«
    Sein Ton war verletzend. Sie legte die Zeitung ruhig zusammen und deponierte sie wieder neben seiner rechten Hand auf dem Tisch. »Was genau willst du damit sagen?«
    »Ich – etwas sagen?«
    »Genau das.«
    »Dann hilf mir doch.«
    »Ich glaube, Sir, dass Ihr ein Banause seid.«
    Er lachte. Seine Zähne waren strahlend weiß. »Kommt mir irgendwie bekannt vor.« Dann sprang er auf. »Bon appetit, Jane.«
     

Kapitel 35
     
    Jane war in Ekstase. Sie war schon den ganzen Abend in Ekstase – seit sie zum ersten Mal in den Zuschauerraum geblickt und gesehen hatte, dass das Haus voll war. Deshalb hatte sie auf der Bühne alles gegeben. Während hinter ihr der Schlussvorhang fiel, verbeugte sich Jane vor den klatschenden Zuschauern.
    Das Publikum brachte ihr eine stehende Ovation dar. Aber keinen donnernden Applaus, keine Bravo-Rufe. Vielmehr klang der Beifall eher höflich zurückhaltend.

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