Bragg 04 - Dunkles Verlangen
wurden von einer gequälten Seele genährt, und sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie je erlöschen würden.
Jane wandte sich vom Fenster ab und versuchte ihre Fassung zurückzugewinnen. Sie war eine Überlebenskünstlerin. Zwei Jahre zuvor hatte sie schon einmal eine Zurückweisung des Earls verkraftet, sie würde auch an dieser Abfuhr nicht zerbrechen.
Kapitel 33
Es war nur natürlich, dass er seinen besten Freund von der bevorstehenden Hochzeit in Kenntnis setzte. Nick betrat den exklusiven White’s Club in der St. James’s Street, Der Club hatte ihm trotz des Mordprozesses die Mitgliedschaft nicht gekündigt, weil Lindley sich vehement für ihn eingesetzt hatte. Die Räumlichkeiten waren innen mit dunklem Holz verkleidet und mit noch dunkleren Teppichen ausgelegt. Als er hereinkam, saß Lindley mit zwei Männern beisammen: einem Baron und einem Viscount. Dann entdeckte ihn Lindley und rief: »Komm, Shelton, setz dich zu uns.«
»Danke.« Der Earl ließ sich in einen großen Ledersessel fallen. Wie aus dem Nichts erschien ein Ober in einer weißen Jacke, und Nick bestellte wie üblich seinen Scotch Whiskey.
Er war verbittert und verärgert, und er war sich dessen bewusst. Das Gespräch, das er gerade mit seiner künftigen Frau Jane geführt hatte, war ihm noch lebhaft gegenwärtig. »Ich möchte einen Toast ausbringen«, sagte er lächelnd und hob das Glas. Die drei Männer taten es ihm gleich. »Und zwar auf die in London als Kleiner Engel bekannte Schauspielerin, die schon bald meine Frau sein wird.«
Die drei Männer reagierten auf seine Ankündigung mit betretenem Schweigen. Der Baron sah den Vicomte an. Nick fing an zu lachen und malte sich aus, wie sie sich hinterher das Maul zerreißen würden. Der Herr der Finsternis (der seine Frau auf dem Gewissen hatte) heiratete den Kleinen Engel – eine Schauspielerin: Westons illegitime Enkelin.
jetzt musste nur noch bekannt werden, dass Jane eine Tochter mit in die Ehe brachte und in welchem Verhältnis der Earl zu dem Kind stand, dann würde es gar kein Halten mehr geben. Doch das war ihm gleichgültig, wenigstens soweit es ihn selbst und Jane betraf, die böse Hexe. (Getrennte Schlafzimmer – ha. Nicht mal mit der Kneifzange würde er sie anfassen.) Ihn interessierte einzig Nicole. Doch wenn seine kleine Tochter einmal alt genug sein würde, um zu verstehen, was sich in ihrer Kindheit abgespielt hatte, würde sich ohnehin kein Mensch mehr für die Geschichte interessieren.
Lindley war erbleicht. »Soll das ein Witz sein?«
Der Earl leerte sein Glas und stellte es krachend auf den Tisch. »Was ist los, Jon? Hast du etwa selbst daran gedacht, unter deinem Stand zu heiraten?«
Lindley saß schweigend da und starrte vor sich hin.
»Donnerwetter, alter Knabe«, sagte der Baron, »das ist allerdings eine Überraschung.«
»Nun ja«, sagte Nick trocken. Er ließ die unaufrichtig gemeinten Glückwünsche der beiden Männer über sich ergehen, während Lindley schweigend daneben saß. Schließlich brachen der Baron und der Vicomte auf – zweifellos um zu verbreiten, was sie soeben erfahren hatten. Nick sah seinen Freund an. »Was? Kein Handschlag, kein Lächeln, kein Glückwunsch?« sagte der Earl zynisch.
»Es ist wegen Nicole, hab ich Recht?«, sagte Lindley bedrückt.
Nick sah ihn überrascht an. »Woher zum Teufel …«
»Ich hab es erst neulich erfahren. Ich musste ihr versprechen, dir nichts davon zu sagen. Tut mir leid, Nick, aber sie hat mich um den Finger gewickelt. Und wenn ich mein Wort gebe, fühle ich mich daran gebunden.«
»Du verdammter Mistkerl«, sagte der Earl bestürzt. »Dann wolltest du mir also verschweigen, dass ich eine Tochter habe? Ausgerechnet du? Mein einziger verdammter Freund?«
Lindley rieb sich das Gesicht. »Ich wollte Jane überreden, es dir selbst zu sagen«, erklärte er.
Diese Auskunft machte es dem Earl zwar etwas leichter, ein bitterer Nachgeschmack blieb trotzdem zurück.
»Aber deswegen musst du sie doch nicht gleich heiraten«, sagte Lindley. »Das ist wirklich ein bisschen übertrieben. Und … will sie dich überhaupt heiraten?«, fragte er fast ängstlich.
Der Earl war plötzlich rasend eifersüchtig und empfand eine richtige Abneigung gegen seinen Freund. »Ich heirate sie. Ich adoptiere Nicole und ziehe sie in meinem Haus groß. Und damit du es weißt: Jane will mich nicht heiraten, du kannst dich also beruhigen. Ihr ist selbst die Vorstellung zuwider.«
Auf Lindleys Gesicht erschien ein
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