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Brahmsrösi: Fellers zweiter Fall

Brahmsrösi: Fellers zweiter Fall

Titel: Brahmsrösi: Fellers zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Haenni
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habe ich unter Ehrenwort den Schuber anvertraut.«
    »Ja, aber er hat ihn an mich weitergegeben«, wende ich ein, ohne zu überlegen, ob ich überhaupt bereit bin, zusätzlich Schuld auf mich zu laden.
    »Das ist für mich irrelevant. Auf der Maur schuldet mir entweder das Unikat oder den Kaufpreis. Und den bestimmen einzig und allein die Besitzer. Aber wie gesagt: Ich rate Ihnen, so bald als möglich nach Baden-Baden zu reisen, um Herrn Hase auf den Hauer zu fühlen.«
    Was wird Auf der Maur dazu sagen, eine weitere Dienstreise zu finanzieren?

     
    *

     
    Ich packe das Allernotwendigste.
    Es sollen nur zwei Übernachtungen werden. Ich schlüpfe in ein frisches Hemd mit hellblau-weiß-roten Streifen und einem aufgestickten Polospieler. Dazu wähle ich eine graubraune Jeans und ziehe einen hellgrauen, dreifach geknöpften Weston über. Für die bevorstehende Mission bleiben die Primärfarben sekundär. Ich fahre in braune Wildlederschuhe mit Klettverschluss und Krokodilsticker.
    Vordergründig besuche ich Herrn Hase mit dem Anliegen, mit ihm die Valiabilität des Angebots zu diskutieren. Dazu ist er gerne bereit. Er räumt mir kurzfristig einen Termin ein. Der findet morgen Nachmittag statt. Punkt 15.00 Uhr. Hintergründig suche ich aber herauszufinden, ob die vermisste Niederschrift allenfalls in Lichtental versteckt wird.

     

17
    Ich fahre mit dem Zug von Thun nach Basel.
    Dort steige ich in den Eurocity EC 100 Richtung Schwarzwald. Beschauliche 169 Kilometer durch liebliches Weinland erwarten mich. Ich mache es mir auf einem Einzelsitz der ersten Klasse bequem und hoffe, dass der Platz gegenüber frei bleibt. Vorsorglich belege ich ihn mit meiner Tasche. Aber es sind nur wenige Reisende unterwegs. Genügend freie Plätze für alle und alles. Man darf sich ungeniert breitmachen. Herrlich! Sodann fährt die Rheintalbahn ab. Mit Heißhunger haue ich in mein Schinkenbrot rein.
    Hinter mir hockt eine blondierte Italienerin wie eine pummelige Hummel in einer roten Polsterblüte. Eine blumige Parfumwolke unterstreicht die florale Assoziation. Das fette Insekt summt lange und laut in ein pinkfarbenes Mobiltelefon. Auf dessen Oberfläche glitzern Glasperlen wie Nektartröpfchen. Jede auch noch so kurze Sprechpause beendet das Italobrummerchen mit penetrantem »Bene, bene!«
    Zu allem Unglück ruhesuchender Mitreisender beginnt auch der ältere Herr im Abteil neben mir zu telefonieren. Ich hasse ihn deshalb spontan und werfe ihm einen genervten Blick zu. Der entgeht ihm. Mir sein verrutschtes Haarteil, das einen kahlen Schädel kaschiert, umso weniger. Der Skalp wirkt wie Medizin. Er hellt meine Stimmung auf. Dank gebührt allen Witzfiguren dieser Welt, die die unergründlichen Pfade meines Alltags queren! Die Schadenfreude besiegt den Ärger über die indiskrete Telefonorgie des unglückseligen Toupetträgers. Der Glücklose erreicht keinen einzigen seiner angepeilten Telefonpartner. Dafür spricht er jedem einen Text auf die Combox. Allen denselben. Dieser endet jedesmal mit dem hoffnungsvollen Satz: ›Es würde mich freuen, von Ihnen zu hören.‹ Wie einsam muss sich ein Mensch fühlen, der mit allen per Sie verkehrt und bei jedem um einen Rückruf bettelt?
    Ich beschließe nach dem unfreiwilligen Lauschangriff, die Tastensperre meines Handys aufzuheben. Auch ich halte mich nicht länger zurück. Es wird telefoniert. Auf der Maurs Nummer erscheint auf dem Display. Sie ist besetzt. Ersatzweise stöpsle ich mir die Kopfhörer des iPods in die Ohren. Udo Lindenberg singt: ›Ach wie gut, dass keiner weiß, der Greis, der Greis ist heiß!‹ Ein tolles Lied. Ein großartiger Sänger. Der kurzatmige Grönemeyer und der schmalbrüstige Maffay können mir gestohlen bleiben. ›Der Weg der heißen Greise‹ führt eindeutig nicht ›über sieben Brücken‹! Wie singt unser aller Udo so treffend? ›Alte Männer sind gefährlich, denn die Zukunft ist egal. Alte Frauen sind begehrlich, denn es ist das letzte Mal.‹ Witziger Text. Rockige Melodie. Udo, der Witzbold? Udo, der Rocker? Weder noch. Ich halte ihn eher für einen Chansonier. Zu gerne würde ich Lindenbergs Lieder darum auf Französisch hören. ›S’il-te-plaît, Üdo. Courage, Monsieur Ländanbersch, Montagne des Tilleuls!‹
    Später blättere ich unaufmerksam in einer Gratiszeitung. Beim Horoskop verweile ich und amüsiere mich damit, die astrologischen Prognosen für das Sternzeichen des Löwen zu studieren: ›Sie können in einer Angelegenheit mehr

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