Brahmsrösi: Fellers zweiter Fall
verlangen. Geben Sie deshalb selbst alles. Ein Vorgesetzter hat ein offenes Ohr für Ihre Vorschläge. Er wird Sie unterstützen.‹
Auf der Maur wird meine Spesenrechnung schon noch präsentiert bekommen. Dieses Horoskop verrät also nichts Neues. Darum schaue ich beim Aszendenten Krebs nach: ›Die Sterne stehen günstig.‹ Sowas will ich hören! ›Genießen Sie einen ruhigen Tag. Überdenken Sie Ihre nächsten Karriereziele. Gehen Sie diese Schritt für Schritt an.‹
Tönt beruhigend und hoffnungsvoll zugleich. Wie steht es aber mit meinen Karrierezielen? Habe ich solche? Agiere ich nicht am beruflichen Anschlag eines kriminalistischen Laien? Zu welcher Position könnte sich ein Privatdetektiv überhaupt hocharbeiten?
Ich konsultiere den Steinbock in der Hoffnung, hier passendere Aussagen zu finden: ›Gehen Sie unbedingt nach einer bestimmten Strategie vor, dann lösen Sie ein Geheimnis. Sie sollten es aber unterlassen, über jemanden schlecht zu reden, den Sie kaum kennen. Das könnte schlimme Folgen haben.‹
Voilà. Endlich eine brauchbare Prophezeiung! Astrologie als Lebenshilfe und Unterhaltung? Ein paar Minuten später schlage ich eine Tageszeitung auf. Ich stoße auf einen Astronomie-Quiz. Frage 14 lautet: Was ist ein brauner Zwerg?
Die verharmlosende Bezeichnung für einen jugendlichen Neonazi.
Ein Stern, der wenig Licht aussendet.
Ein Planet, auf dem es irdisches Leben geben könnte.
Eine spezielle Form außerirdischer Lebewesen.
Die Vorstufe zu einem schwarzen Loch.
Ich tippe auf e. Das ist falsch. Die Lösungsspalte schlägt b vor. Zu Recht?
18
Baden-Baden, drei Minuten Aufenthalt!
Für mich soll der Besuch drei Tage dauern. Ich steige aus dem Zug und schaue mich um. Lauter Fremde in der Fremde.
Ich unterquere die Geleise, steige zur Bahnhofshalle hoch und verlasse sie durch eine Glastür. Davor wartet ein Taxifahrer mit altem Mercedes. Ich wende mich nach rechts, wo ich einen Bus erspäht habe. Meine Reisespesen brauchen nicht schon zu Beginn ins gute Tuch zu gehen. Erst als ich direkt neben dem öffentlichen Verkehrsmittel stehe, bemerke ich den schriftlichen Hinweis ›Außer Betrieb‹. Also doch: Zurück zum Taxi! Im selben Moment steuert auch ein älteres Ehepaar darauf zu.
Ich gewinne den Wettlauf. Dafür ist die Chance vertan, mich heute als Gentleman zu beweisen.
Die ausgetricksten Fahrgäste fragen dümmlich: »Gibt es noch andere Taxis?«
Der Fahrer antwortet schlagfertig: »Schon. Aber ich bin der Beste.« Dann braust er mit mir davon.
Ankunft im Schweizer Hof, an der Langen Straße beim Robert-Schuman-Platz, einem kostenpflichtigen Parkplatz. Ein weiterer Parkkartenautomat stehe übrigens auch auf dem Erinnerungsplatz seiner Gattin, Clara Schumann. Allerdings am anderen Ende der Stadt, im Lichtental, weiß der Taxichauffeur. »Zu Lebzeiten hatten Schumanns getrennte Ehebetten. Im Tod getrennte Parkplätze.«
Bunte Tücher wehen vom Balkon der ersten Etage des Hotels. Links die deutsche Flagge, rechts die Schweizerfahne. Tröstlich, nach den Gehässigkeiten zwischen Peitschen-Peer und den Indianern geldgieriger Helvetierstämme.
Abgesehen vom Fahnentuch haftet weder Deutsches noch Schweizerisches am Hotel. Die rot-weiße Fassade erinnert eher an einen venezianischen Palast. Vor dem Haupteingang wecken zwei Fahrzeuge zusätzlich italienisches Lebensgefühl. Einerseits ein ferrarirotes Mofa, das meinem Motorfahrrad in der Schweiz zum Verwechseln ähnelt. Andrerseits ein ferrariroter Ferrari 355 Spider F1!
Ein blonder Jüngling sitzt am Steuer. Daneben ein älterer Herr, bekleidet mit Ferraribrille, Ferrarimütze und Ferrarileibchen. Der Greis ist heiß! Darauf entfesselt der Goldengel 380 PS. Das beeindruckende Motorengeräusch vibriert mir noch in den Ohren, als das Geschoss längst aus dem Blickfeld entschwunden ist. Mit 290 Sachen fliegt es dem Schwarzwald entgegen.
An der Rezeption werde ich nicht erwartet. Offenbar hat die Internetbuchung versagt. Zum Glück verfügt das Hotel dennoch über ein freies Einzelzimmer. Ich erkundige mich nach dem Brahmshaus. Der hilfsbereite Concierge reicht mir einen vierfarbigen Faltprospekt.
»Den Brahms finden Sie irgendwo dort hinten, beim Kloster«, sagt er. »Eine halbe Stunde zu Fuß.«
Irgendwo findet man ja immer. Irgendwann. Ich danke, nehme den Schlüssel entgegen und suche meine Bleibe. Unter der eleganten Wendeltreppe befindet sich eine knapp mannshohe, weiße Holzkiste mit verglaster Tür. Nicht mein Zimmer. Die
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