Brahmsrösi: Fellers zweiter Fall
Kombüse erinnert an eine finnische Sauna. Darauf steht in schwarzen Lettern Internet Box . Warm scheint das Licht aus der Kabine, die zum chatten, mailen und googeln einlädt. Vor dieser Hightechsuite steht ein sperriger Kindersitz. Der Nachwuchs bleibt draußen, wenn Mami im Kabäuschen das Mäuschen drückt.
Über einen 15 Meter langen, schmalen Flur im Parterre erreiche ich mein Zimmer. Der Boden ist mit weichem, rotem Spannteppich belegt. Wie in Krakau. Der Hiesige wirkt allerdings neuer. Der Raum mit den hohen Wänden gefällt mir. Schwein gehabt! Trotz verunglückter Buchung. Ein achtflammiger Kronleuchter mit kerzenförmigen Stromsparlampen glitzert über einem Doppelbett und reflektiert die zitronengelben Leintücher. Über dem Kopfende hängt Kunst. Zwei große Dreiecke auf blauviolettem Grund. Das eine ragt mit seiner gelben Spitze nach oben. Das andere leuchtet in Rot. Die beiden Segel trennt ein vertikaler Balken. Darunter deuten horizontale Vierecke einen Schiffsrumpf an. Ein Geisterschiff? Von Geisterhand geschaffen? Es steht jedenfalls keine Signatur unter dem Werk.
Ich verliere keine Zeit. Umgehend mache ich mich auf den Weg zum Treffen mit Doktor Rainer Hase. Sitz der Gesellschaft ist das renovierte Brahmshaus im Vorort Lichtental. Erst in einer knappen Stunde werde ich dort erwartet. Es eilt also nicht.
Der Fußmarsch führt entlang einer prachtvollen Park- und Gartenanlage, der Lichtentaler Allee . Sie bildet die Kulturmeile der Stadt . Gemütlich spaziere ich der Oos entlang Richtung Abtei. Alle paar Meter spannen sich schmale Bogenbrücken über den Bach.
›Vom Glück in Krisenzeiten‹ habe ich auf der Herfahrt in der Zeitung gelesen. Spazieren gehöre angeblich dazu. Es verheiße Glück. Neben Musizieren, Gärtnern, Kochen und Schlafen. Promenieren bedeute Kontemplation als interessegeleitetes Wohlgefallen. Beidem stimme ich zu. Ich gehe, sinne, lüfte den Kopf und halte nach Nonnen Ausschau. Die sollten bald hinter historischem Gemäuer auftauchen. Spazierengehen wird im Artikel als Privileg des Alters gepriesen. Der wahre Weg führe dabei nach innen. Braucht der gehende Mensch deshalb eine gewisse Reife?
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Nach wenigen Metern zieht ein eindrücklicher Backsteinbau meine Aufmerksamkeit auf sich.
Es handelt sich um die Trinkhalle mit ihrer Tonnendecke über bunten Fresken und erzählerischen Wandmalereien. In der Mitte der Säulenhalle befindet sich der Eingang zur Touristeninformation. Ich trete ein, fische mir einen Prospekt zu den Brahmstagen aus einem Ständer und wende mich um. Das lohnt sich. Dem Informationsschalter gegenüber befindet sich nämlich eine Bar. In drei Getränkeschränken aus Spiegelglas und Edelholz stehen gebrannte Wasser. Über jedem der drei Gestelle prangt der Name eines typisch süddeutschen Drinks: Cuba Libre links, Caipirinha in der Mitte und Mojito ganz rechts vom Fenster der Trinkhalle. Ihre wahre Funktion offenbart sie im Ausschank von Drinks.
Ich verlasse die Bar durch einen Seitengang, der in eine Kaffeestube führt. An der Wand überrascht die großflächige Kopie des Abendmahls von Leonardo da Vinci. Schenkt Jesus Thermalwasser aus?
Jenseits einer ausgedehnten Rasenfläche dominiert das Kurhaus. Im Schatten der langen Fassade sitzen alte Menschen auf weißen Bänken, durch schulterhohe Mäuerchen und akkuraten Blumenschmuck ordentlich getrennt. Träumen sie vom großen Gewinn im Casino?
Abseits vom pompösen Haupteingang erkenne ich einen roten, senkrechten Balken. Ich entziffere seine Beschriftung: Automatenspiel. Nicht etwa Spielautomaten. Widerspiegelt die Wortwahl die Tatsache, dass die Automaten den Kunden böse mitspielen?
Eine enge, feuchte Steintreppe führt zwischen schmucklosen Handläufen und wucherndem Buschwerk zu einer verglasten Doppeltür hinunter. Das Entree zum Automatenspiel wirkt schäbig, wie der Zugang einer staatlichen Drogenabgabestelle. Darüber bröckelt weißer Verputz um mattgoldene Lettern: Casino Baden-Baden. Grünliche Rinnsale zerfressen die Fassade. Bereits hat sich eines davon bis zum ersten B von Baden vorgewagt. Hinter der Glastür hängt ein Warnschild: ›Wir helfen Ihnen, bevor das Spiel zum Problem wird. Spielen Sie, um Schwierigkeiten oder Sorgen zu entfliehen? Spielen Sie, um Geld für finanzielle Nöte zu erlangen? Sind Sie nicht imstande, mit dem Spiel aufzuhören – ganz gleich, ob Sie gewinnen oder verlieren?‹ Die Automatenspieler an den Spielautomaten sind gewarnt.
Für jene, die sich weder in
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