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Braig & Neundorf 11: Schwaben-Engel

Braig & Neundorf 11: Schwaben-Engel

Titel: Braig & Neundorf 11: Schwaben-Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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selbstlose gute Fee gespielt. Ein Leben lang. Letztes Jahr war sie 90. Die Jahre der Naziherrschaft? Sie erinnerte sich noch gut an jene Zeit, als wäre sie gerade erst vergangen. Die Stöfflers führten immer ein offenes Haus, teilten die knappen, genau kalkulierten Essensrationen mit unzähligen Verfolgten. Kaum hatten sie die eine Familie an ein anderes Pfarrerehepaar oder eine ihres an der Front kämpfenden Mannes beraubte Pfarrersfrau weiter geleitet, suchten die nächsten Verfemten Unterschlupf – und alles unter ständiger Bedrohung durch die Gestapo und braune Helfershelfer. Über Wochen, über Monate, über Jahre hinweg. Und das alles ohne zwingendes Kalkül. Es waren keine Verwandte, für die sie ihr Leben riskierten, keine Glaubensbrüder oder -schwestern, nicht einmal Bekannte, sondern völlig Fremde, Menschen aus Berlin, Ostpreußen, überhaupt aus allen Teilen des Nazireichs. Sie schenkten ihnen das Wichtigste, was diese benötigten: Einen Unterschlupf zum Überleben, Schutz vor den allgegenwärtigen Verfolgern der braunen Bestien. Ein regelrechter Gürtel von Pfarrersfamilien und anderen Angehörigen der Bekennenden Kirche war so rund um Stuttgart entstanden und mitten drin, wie die Nabe im Rad, die Stöfflers in Köngen. Wie soll ich sie anders beschreiben, ihr Verhalten trefflicher charakterisieren: Engel – ich finde kein besseres Wort.«
    Er hatte lange von seinem Gespräch mit der alten Dame, einer der letzten Augenzeuginnen des heldenhaften Wirkens im Köngener Pfarrhaus erzählt, war erst vom Läuten des Telefons seiner Lebensgefährtin unterbrochen worden. Neundorf hatte sich Zeit gelassen, nur unwillig nach dem Handy gegriffen und ein kurzes Gespräch geführt.
    »Und? Wo haben sie jetzt wieder eine Leiche gefunden?«, hatte Weiss gefragt.
    Seine Partnerin hatte ihren Teller zur Seite geschoben, sich gestreckt, ihr Handy in ihre Tasche gesteckt. »Keine Leiche, zum Glück nicht. Ein Arzt des Krankenhauses in Backnang. Ich war gestern Abend schon dort, wollte mit einem wichtigen Zeugen sprechen. Der Arzt war so freundlich, mir mitzuteilen, dass ich das jetzt tun könnte.«
    Sie hatte ihn über ihre neueste Ermittlung informiert, ihm das Versprechen abgenommen, sich um Johannes, ihren Sohn zu kümmern, war dann in das etwas oberhalb des Stadtkerns gelegene Krankenhaus gefahren, das aufgrund äußerst umstrittener Berechnungen in wenigen Jahren geschlossen werden sollte.
    Bernhard Haigis lag halb aufgerichtet in seinem Bett, das linke, in eine kräftige weiße Bandage eingefasste Bein weit von sich gestreckt, empfing sie mit freundlicher Miene. Er hatte kurze braune Haare, ein bleiches, von den Anstrengungen der Operation gezeichnetes Gesicht. Mitten auf seiner linken Wange prangte ein großes Pflaster. Neundorf schätzte ihn auf Anfang, Mitte dreißig.
    Sie stellte sich vor, reichte ihm die Hand. »Ich hoffe, Sie haben das Schlimmste überstanden.«
    Haigis schien zuversichtlich gestimmt, antwortete mit einem selbstbewussten: »Auf jeden Fall«, schob sich vorsichtig weiter in die Höhe. »Sie wollten mich gestern Abend schon sprechen.«
    »Sie wurden gerade operiert.«
    Er nickte, wies auf sein bandagiertes Bein. »Das habe ich dem Dreckskerl zu verdanken. Hoffentlich erwischen Sie ihn bald.«
    »Wir bemühen uns«, erklärte sie. »Wir sind aber auf Ihre Hilfe angewiesen.«
    »Meine Hilfe?« Er räusperte sich, ließ das kräftige Rasseln zweier von zuviel Zigarettenrauch gequälter Lungenflügel hören. »Dann sieht es nicht gut aus.«
    »Wir benötigen eine genaue Beschreibung des ganzen Geschehens. Was haben Sie gesehen: War es wirklich Absicht oder doch ein Unfall? Hielt das Auto genau auf Herrn Riederich zu? Um was für ein Fahrzeug handelte es sich, können Sie uns vielleicht den Typ nennen, die Farbe, einen Teil des Kennzeichens?«
    Haigis rang um Luft, kam nur langsam zu Atem. »Ein BMW«, sagte er, »ein mittleres Modell. Die Farbe …« Er verstummte, schüttelte den Kopf. »Es war dunkel, wissen Sie, da gab es nicht viel zu sehen.«
    Neundorf signalisierte Verständnis, registrierte erfreut die Bestätigung der bisher vorliegenden Zeugenaussage. »Und das Kennzeichen?«
    »LB«, antwortete der Mann ohne Zögern, verfiel dann aber wieder in seinen Raucherhusten.
    »Ludwigsburg. Mehr zu erkennen …«
    »LB und dann«, er kämpfte um Luft, »EL oder FL oder LL.«
    Neundorf betrachtete ihn erstaunt. »Das haben Sie gesehen?«
    »Eine dieser Kombinationen, ja. Da bin ich mir

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