Braig & Neundorf 12: Schwabenehre
wissen keine andere Lösung. Da sind unsere Hände gebunden. Nehmen Sie das Beispiel der Piraten im Meer vor Somalia. Die kapern ein Schiff nach dem anderen. Weshalb? Weil die Reedereien immer wieder zahlen. Das weckt ständig neue Begehrlichkeiten.«
»Wie wollen Sie sonst die Besatzungen der Überfallenen Schiffe retten?«
»Ich weiß es nicht«, gab Kober ehrlich zu. »Vielleicht mit mehr internationaler Militärpräsenz? Ich kann Ihnen keine Antwort geben. Aber für unsere Firma haben wir uns entschieden: Auf Erpressungen gehen wir nicht ein. Sonst zahlen wir uns zu Tode. Dann können wir unsere Forschung und Produktion gleich stilllegen.«
»Sie glauben nicht, dass Herr Schmiedle genau deswegen sterben musste? Weil Erpresser sich dafür rächen wollen, dass Sie nicht auf ihre Forderungen eingingen und auch als Warnschuss, das jetzt doch zu tun?«
Der Manager nickte, ließ einen tiefen Seufzer hören. »Ich muss zugeben, dass ich das nicht ausschließen kann. Wir haben es teilweise mit internationalen Verbrecherorganisationen zu tun, wie mir ihre Kollegen schon mehrmals mitgeteilt haben, in den Vorjahren, als wir alle Erpressungsversuche noch zur Anzeige brachten. Terrororganisationen, die an unsere Waffentechnologie wollen. Die sind zu allem fähig, ohne Zweifel.«
»Dann möchte ich Sie bitten, mir alle Drohungen und Erpressungsversuche, überhaupt alles, womit Ihre Firma sonst belästigt wurde, zugänglich zu machen. Wir werden es mit den Erkenntnissen des Bundeskriminalamtes abgleichen, vielleicht stoßen wir schneller auf Hintermänner, als Sie glauben.«
Kober nestelte nervös an seiner Krawatte, band den Knoten enger. »Davon wird Markus aber auch nicht mehr lebendig.«
»Das nicht«, gab Braig zu. »Aber vielleicht verhindern wir auf diese Weise wenigstens weitere Opfer. Sie persönlich fühlen sich nicht bedroht? Ich meine, wenn Herr Schmiedle als führender Manager Ihrer Firma zum Ziel bestimmter Verbrecher wurde, wer könnte dann der Nächste sein?« Er sah, wie sein Gegenüber erbleichte und in seinem Stuhl zusammensackte.
»Daran habe ich bisher noch nicht gedacht«, erklärte der Mann.
»Vielleicht sollten Sie es aber tun«, erwiderte Braig. Kober sah ihn mit vor Schreck geweiteten Augen an.
25. Kapitel
Zehn Minuten nach Elf am Samstagmorgen war Neundorf zum zweiten Mal in dieser Woche vor dem großzügig bemessenen Anwesen in Ludwigsburg-Hoheneck angelangt. Eine Stunde vorher, sie hatten ihr gemütliches Wochenendfrühstück zu Dritt gerade in Ruhe genossen, war Nathalie Binninger telefonisch bei ihr vorstellig geworden.
»Sie haben mir Ihre Nummer gegeben und mir angeboten, Sie jederzeit anrufen zu dürfen. Ich weiß nicht, ob ich Sie störe …«
Neundorf hatte die Stimme der Frau überrascht wahrgenommen. Stundenlang war sie in den letzten beiden Tagen damit beschäftigt gewesen, mit Ohmstedt und auch mit Thomas Weiss die Aussage der Frau und deren Konsequenzen zu diskutieren. »Sie stören nicht«, erklärte sie deshalb, »im Gegenteil.«
»Dann ist es gut. Ich möchte Ihnen nur noch einmal versichern, dass ich die Wahrheit gesagt habe. Ich fürchte, Sie glauben mir immer noch nicht.«
»Dass Sie niemand gesehen haben, als Sie den Tankstellenshop verließen.«
»So ist es. Ich habe niemand gesehen. Es tut mir sehr leid, aber ich kann Ihnen nicht helfen. Ich will niemand decken, und ich werde auch nicht bedroht. Nicht von Verbrechern und auch sonst von keiner Person. Ich lüge nicht. Wirklich.«
»Und Sie bleiben dabei, dass Sie nicht sofort nach Ihrem Einkauf weggefahren sind, sondern mehrere Minuten in Ihrem Auto saßen. Mehrere Minuten.«
»So war es, ja. Ich kam aus dem Laden, blieb vor der Tür stehen, lief dann zu meinem Wagen und stieg ein. Aber ich fuhr nicht gleich weg. Mir ging … na, sagen wir mal, zu viel durch den Kopf.«
»Ob Sie wirklich noch einmal in Ihr Haus zurückfahren sollten, nachdem er Sie in dieser Nacht wieder so verprügelt hatte.«
Stundenlang hatte Neundorf in den Tagen zuvor ihrem Partner in den Ohren gelegen und ihm erklärt, dass sie nach Ludwigsburg fahren und die Frau aus den Klauen des Schlägers, mit dem sie liiert war, befreien wolle. Wenn mir der Kerl dabei aber über den Weg läuft, kann ich für nichts garantieren. Ich schlag dem ein paar in die Fresse, dass er alles abbüßt, was er der Frau angetan hat.
Du bleibst hier, hatte Weiss erwidert, das übersteigt deine Kompetenz. Die Frau ist erwachsen, die muss selbst wissen, warum sie
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