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Braig & Neundorf 12: Schwabenehre

Braig & Neundorf 12: Schwabenehre

Titel: Braig & Neundorf 12: Schwabenehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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war, die Tapete und die Decke schienen bei den Nikotinausdünstungen bisher glimpflich davongekommen oder aber vor kurzem erst gereinigt worden zu sein.
    »Also. Was wollen Sie wissen?«, fragte Melanie Schunter.
    »Ihre Erfahrungen mit Herrn Schmiedle.«
    »Meine Erfahrungen?« Sie schüttelte den Kopf. »Wen interessiert das?«
    »Mich«, antwortete er schnell, markierte dann den Unwissenden, um sie endlich aus ihrer reservierten, wort­kargen Stimmung zu reißen. »Sie leben mit ihm zusammen, soweit ich informiert bin.«
    Sie zeigte keine Reaktion, unternahm keinerlei Versuch, seine Aussage zu korrigieren, sah nur ausdruckslos auf den Bildschirm ihres Notebook.
    »Schon lange?«
    »Wie schon lange?«
    »Seit wann leben Sie mit ihm zusammen?«
    »Seit dem letzten Sommer.« Sie schaute kurz über den Schreibtisch weg zu ihm hin, setzte dann: »Zusammenleben ist nicht ganz richtig«, hinzu.
    »Wieso?«
    »Wir haben unsere Wohnungen beibehalten. Markus seine in Metzingen, ich hier.«
    »Na ja, das sind ja nur ein paar Kilometer.«
    »Nur über den Neckar rüber, ja.«
    »Wie haben Sie ihn kennengelernt?«
    »Wie ich ihn …« Sie stockte mitten im Satz, warf ihm einen irritiert wirkenden Blick zu. »Wieso wollen Sie das wissen?«
    Soll einer diese Weiber kapieren, arbeitete es in ihm. Kann man es nicht brauchen, labern sie dich voll, unaufhörlich und ohne Pause, willst du aber etwas wissen, sind sie schweigsam wie ein Grab. Er erinnerte sich an einen Zeitungsartikel, in dem ein ihm unbekannter Professor, zuständig für Psychologie oder ähnliches, darüber räsoniert hatte, dass Frauen anders als Männer in jeder Hälfte des Gehirns über Bereiche verfügten, die speziell als Sprachzentren ausgebildet seien, jeweils eine genau abgegrenzte Region. Frauen sei es daher von Natur aus gegeben, hatte der gute Mann geschrieben, viele und lange währende Gespräche zu führen und dabei gleichzeitig auch noch etwas anderes zu erledigen.
    Der hat es begriffen, hatte Aupperle damals bei der Lektüre des Textes überlegt, der weiß, wie Frauen ticken. Er hatte an mehrere seiner Affären oder Beziehungen – je nachdem, wie man diese Verhältnisse beurteilen wollte – zurück gedacht, des Professors Thesen als Erklärung für all die vielen weitgehend sinnlosen wie überflüssigen Erörterungen und Litaneien, die er in dieser Zeit über sich hatte ergehen lassen müssen, nutzend. Weiß Gott, es gab weibliche Wesen genug, die über diese besondere Ausstattung verfügten – anders war das unablässige Geplapper nicht zu erklären. Franziska aus Trossingen war ihm eingefallen, sie hatte dem Wissenschaftler für seine Ausführungen wohl Modell gestanden. Franziska, eine Frau, die Tag für Tag mehr Worte von sich gegeben hatte als er selbst in einem ganzen Monat. Es war mühsam und anstrengend gewesen mit ihr, hatte ihn viel Kraft und Nerven gekostet, all ihre Überlegungen über Gott und die Welt und ihre seltsamen Kundinnen – sie hatte als Verkäuferin in einer Drogerie gearbeitet – anzuhören und war nur angesichts ihrer überaus großen Phantasie, was Matratzenspiele anbelangte, zu ertragen gewesen.
    Er spürte den widerlichen Gestank, der ihm in die Nase stach, sah sich aus seinen Gedanken gerissen. Eine große Wolke aus blaugrauem Zigarettenqualm hing mitten im Zimmer, ließ die Umrisse seines Gegenüber verschwimmen. Er sah, wie die Frau ihre Kippe in einer kleinen gelben Tasse ausdrückte, wedelte mit der Hand durch die Luft. Sie schien seine Bemühungen um frischen Sauerstoff nicht wahrzunehmen, blickte schweigend zu ihrem Notebook.
    Was habe ich da nur für ein seltsames Wesen vor mir, überlegte er, muss ich der wirklich jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen? Was ist mit den beiden Sprachzentren in ihrem Gehirn, was würde der Professor dazu sagen, sind sie etwa verkümmert? Oder gibt es andere Gründe, weshalb sie so schweigsam ist? Gründe, die mit meinem Besuch, mit dem Tod, der Ermordung Schmiedles, ihren Drohungen gegen ihren ehemaligen Geliebten oder Partner oder was immer er war, zu tun haben?
    »Wie haben Sie ihn kennengelernt?«, wiederholte er seine vor wenigen Augenblicken schon einmal gestellte Frage.
    Melanie Schunter griff in ihre Handtasche, die am Sockel des Schreibtischs lehnte, zog eine Schachtel Zigaretten vor, eine Marke, die er noch nie gesehen hatte, zündete sich eine an. Eine neue blaugraue Wolke schwebte durch das Zimmer, geradewegs auf ihn zu.
    »In Stuttgart in der Liederhalle«, sagte sie

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