Braig & Neundorf 13: Schwaben-Sommer
zurück, beobachtete ihren Partner, der nach dem Glas griff und von dem Wein kostete.
»An dieselbe Frau?«, fragte Braig nuschelnd, Flüssigkeit auf der Zunge.
»Ja«, bekräftigte sie ihre Vermutung. »An dieselbe Frau. An eine, die von beiden Männern wie das letzte Stück Dreck behandelt wurde.«
Er schluckte den Wein, verzichtete auf eine Antwort.
»Dieses rücksichtslose Verhalten Frauen gegenüber scheint doch die einzige Gemeinsamkeit der beiden Typen, die euch bekannt ist. Oder sehe ich das falsch?«
»Du meinst, dass sowohl Allmenger als auch Christian Fitterling häufig wechselnde Beziehungen pflegten?«
»Das habt ihr doch so gehört, oder?«
»Das haben wir so gehört, ja. Und du glaubst, beide seien zufällig an ein und dieselbe Frau geraten, hätten sie gleichermaßen übel behandelt …«
»Oder es waren zwei Frauen. Freundinnen«, fiel Ann-Katrin ihm ins Wort. »Die eine verliebt sich in Allmenger, die andere in Fitterling, wie das Leben so spielt. Und nach kurzer Zeit sehen sie sich ausgebootet, benutzt, gegen eine neue Gespielin ausgetauscht. Pech gehabt. Der Typ war eben ein Schwein. Einer wie der andere. So läuft das normalerweise. Jetzt aber …«
»Du meinst, die haben sich gegenseitig aufgefangen und hochgepuscht? Zwei Frauen, die gemeinsam …« Braig verzichtete darauf, den Satz zu vervollständigen, pfiff leise vor sich hin.
»Eine ihrer zahlreichen Ex«, erklärte Ann-Katrin, »sie weiß genau, wie sie es Allmenger heimzahlen kann. In einem besonders intimen Moment wird er sentimental, erzählt ihr von seinem Problem. Er braucht jemanden, dem er sein Herz ausschütten kann, seine Last loswerden, die ihn seit Jahren, was sage ich, seit Jahrzehnten drückt. Und das nützt sie aus, später, als er sich als gewissenloses Schwein entpuppt hat und ihr nur noch nach Rache zumute ist. Von Fitterling ist den Frauen nichts Besonderes bekannt. Nur, dass er wie ein Verrückter die Geigelfinger Steige herunterrast, weil er sich als coolen Fahrer versteht. Das nehmen sie zum Anlass, ihn zu attackieren. Zwei Frauen, die es satt haben, sich wie altes Mobiliar auf dem Sperrmüll wiederzufinden. Beide zutiefst verletzt. Und statt sich weiter als Gebrauchsobjekte benutzen zu lassen, raffen sie sich auf und ziehen die Sache durch. Vielleicht wollten sie Fitterling nicht in den Abgrund stürzen, sondern ihm nur einen Denkzettel verpassen, ähnlich wie dem anderen, aber die Sache ging schief?«
»Das hältst du für möglich?«, fragte Braig.
Seine Partnerin zeigte nicht den Hauch eines Zweifels. »Wieso nicht? Ich in einer ähnlichen Situation könnte mir jedenfalls vorstellen, genau so etwas zu tun. Nimm dich also in Acht.«
Er stellte das Glas zurück, betrachtete seine Partnerin mit großen Augen. Hatte sie sich einen Spaß erlaubt, oder war das ernst gemeint? Er wusste es nicht. Wie auch immer – ihre Überlegungen waren keineswegs neu. Vorhin, im Verlauf ihres Telefonats, hatte Neundorf genauso argumentiert und dieselben Schlussfolgerungen gezogen. Fast bis aufs Wort genau.
13. Kapitel
Mario Aupperle arbeitete jetzt seit genau eineinhalb Jahren beim Landeskriminalamt. Der kleine, drahtige, immer noch von seinen jahrelangen Besuchen in verschiedenen Fitnessstudios und dem daheim im Keller betriebenen privaten Krafttraining unübersehbar gestählte Mann hatte seine Versetzung von Trossingen in die Landeshauptstadt noch nicht bereut. Trossingen, das alte Musikstädtchen am südlichen Rand des Landes, atmete Ruhe und Gemütlichkeit in allen Winkeln. Hier zu leben war der Traum eines jeden Pensionärs und Rentners, die den Anblick des Türmles wie des nahen Albtraufs schätzten und mit einem weitgehend stressfreien und beschaulichen Dasein zufrieden waren. Für einen lebenslustigen, jungen Mann von inzwischen dreißig Jahren hatte diese Gemütlichkeit und Behäbigkeit auf Dauer aber einschläfernd und ermüdend gewirkt. Zwar war Aupperles Dienst beim LKA bei Weitem nicht so spannend und abwechslungsreich, wie er sich das einst in der Provinz ausgemalt hatte – statt großen, von viel journalistischem Tamtam begleiteten Auftritten im hehren Kampf gegen das internationale Verbrechertum hatte sich die Arbeit in Bad Cannstatt eher als mühseliges, so manchen Abend und viele Wochenenden verschlingendes, letztendlich oft sinnloses Kleinklein erwiesen, das von niemand entsprechend gewürdigt wurde, doch war er auf privater Ebene zumindest annäherungsweise auf ein Umfeld gestoßen, das seinen
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