BRAINFUCK
Gesprächspartnerin und trat hinter den Verkaufstisch.
»Kun en Coca Cola?«
»Ja tak.«
»Sie sind Deutscher?«
Stefan überraschte diese Frage. Aus einem »Hallo« und zwei einfachen Worten hatte sie das geschlossen? Er nickte.
»Ja, ich komme aus Deutschland«, gab er zu und befürchtete insgeheim weitere unangenehme, neugierige Fragen.
Doch die Verkäuferin schien mit dieser Auskunft zufrieden zu sein. »Einen Euro und vierzig Cent, bitte.« Ihr Deutsch klang ähnlich dem der Stewardess.
War das wirklich erst vier Stunden her? Er bezahlte passend und verkniff sich die Nachfrage, woher sie Deutsch konnte.
»Finde ich hier die Reederei Poulson & Hanusson?«
»Unten am Hafen, das rote Haus mit dem großen …«, sie verzog das Gesicht, weil ihr das Wort nicht einfiel, »… Vordach? Heißt das so: Vordach?«
»Ja, so heißt das«, beeilte sich Stefan zu versichern. »Das werde ich finden. Danke.«
Stefan mochte solche Frauen. Das blonde Haar, die helle Haut mit den Sommersprossen und die natürliche Ausstrahlung zogen ihn an. Heute war keine Zeit zum Flirten. Heute hatte er etwas zu erledigen.
Er verließ den Laden, die hübsche Verkäuferin und die antiquierte Registrierkasse und schlenderte zwischen den heimelig wirkenden Häusern hindurch in Richtung Hafen. In einem Kämmerchen seines Unterbewusstseins stritten die kichernde Gewissheit und ein uralter Zweifel miteinander. Das Wenige, das davon in sein Denken durchschimmerte, verdrängte er. Bedenken konnte er sich jetzt nicht leisten. Um sich abzulenken, rief er sich die Bilder der Flotteneigner ins Gedächtnis. Er musste in der Lage sein, sie zu erkennen, wenn er ihnen begegnete. Stefan hatte nur ältere und durch die Vergrößerung stark verpixelte Aufnahmen gefunden. Trotzdem war er sich sicher, sie identifizieren zu können. Zur Sicherheit hatte er sie auf seinem Handy gespeichert.
Das Gebäude konnte man wirklich nicht übersehen. Ein verwittertes Messingschild brachte letzte Sicherheit: Es war der Firmensitz von Poulson & Hanusson. Er bezog auf einem Bootsanleger Posten, von wo aus er den Eingangsbereich aus den Augenwinkeln heraus gut beobachten konnte. Die Flut hatte ihren Höhepunkt erreicht. Er zog Schuhe und Socken aus und ließ die Füße in das angenehm kühle Wasser gleiten.
Was sollte er tun, wenn sich niemand zeigte? Was, wenn die Mörder ihren unverdienten Urlaub auf den Kanaren genossen, während er hier saß? Was, wenn jemand auf die Idee kam, ihn mehr zu fragen, als die blonde Verkäuferin es getan hatte?
Eine Bewegung unter dem Vordach riss seine Aufmerksamkeit von dem ›Was‹ und ›Wenn‹ los. Jemand war aus der Tür ins Freie getreten. Ein Mann. Groß gewachsen, dunkelblond, das Gesicht durch einen Vollbart und ausgeprägte Koteletten eingerahmt. Der Mann blieb unter dem Rand des Vordachs stehen und blickte über den Hafen auf den Fjord hinaus. Er plante wohl seine nächsten Gräueltaten. Stefan kramte sein Handy aus der Tasche und wählte die Kamerafunktion. Er zoomte auf das Gesicht des Fremden und schoss ein Bild. Der Vergleich mit den gespeicherten Fotos ließ keinen Platz für Ungewissheit: Dort stand der skrupel- und gewissenlose Walkiller Brandur Hanusson. Dieser löste sich aus dem Schatten und ging mit schnellen Schritten auf Stefan zu. Stefan erstarrte. Wusste er Bescheid? Hatte jemand Verdacht geschöpft und ihn gewarnt? Die Blonde aus dem Laden vielleicht? Wenn Hanusson ihn ansprach, was dann? Alles abstreiten? Ihn hier in aller Öffentlichkeit angreifen?
Der Fangflottenbesitzer betrat den Bootssteg, kam auf Stefan zu und … ging an ihm vorbei, ohne ihn eines überflüssigen Blickes zu würdigen. Stefans Beine zitterten heftig und lösten kleine Wellenkringel im Wasser des Fjords aus. Er drehte den Kopf nach links und sah zu, wie Hanusson einen Fischkutter enterte und in einem Deckshäuschen verschwand.
Da war sie, die Gelegenheit! Hektisch stopfte er Schuhe und Socken in den Rucksack. Ein schneller Rundblick verriet ihm, dass sich niemand für die Vorgänge auf dem Steg interessierte. Das potenzielle Publikum bestand aus einem älteren Paar, das in eine angeregte Diskussion vertieft schien.
Stefan warf sich den Rucksack über und schlenderte betont lässig in Richtung des Kutters. Das etwa achtzehn Meter lange Boot mit dem weinrot gestrichenen Rumpf und den weißen Aufbauten dümpelte sanft vor sich hin. Dieses idyllische Bild blieb auf Stefans Netzhaut hängen. Das Adrenalin verhinderte, dass es in sein
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