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BRAINFUCK

BRAINFUCK

Titel: BRAINFUCK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Berger
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verrückt? Das Ding sprach laut und deutlich, nicht in meinem Kopf, und es bewegte sich scheinbar selbstständig. Sicher, es gab technische Möglichkeiten, um derartige Effekte vorzutäuschen, aber wer sollte sich die Mühe machen, mit mir dieses Spiel zu spielen? Ich kannte niemanden, der sich ausreichend für mich interessierte, um einen solchen Aufwand zu betreiben. Oder steckte Anja hinter der Sache? Nein, keine Krankenkasse der Welt wäre bereit, eine solche Therapie zu finanzieren.
    »Gut«, willigte ich ein, noch immer mit der festen Absicht, zu ergründen, wer oder was dahinter steckte. »Ich gebe dir diese Chance. In einer Stunde muss ich los zur Selbsthilfegruppe. Und du kommst mit.«
    Ich erwärmte den Rest des Bohneneintopfs vom Vortag in der Mikrowelle, und während ich aß, platzierte sich Xande über der Lehne des zweiten Küchenstuhls und sah mir schweigend zu. Als ich mein Mahl beendet hatte, ging ich ins Bad und steckte mir verabredungsgemäß die Haare zu einem Knoten an den Hinterkopf. Ein leises Zischen ertönte und der zu einem schlapprigen Latexstückchen geschrumpfte Luftballon schlüpfte zwischen die Strähnen.
    »Kannst du mich hören?«, vergewisserte er sich.
    »Roger, Houston, wir verstehen Sie laut und klar«, erwiderte ich in einem Anflug von Humor, den ich mir nicht erklären konnte.
    Xandes erste Bewährungsprobe kam schneller als erwartet. Der Linienbus platzte aus allen Nähten, der Feierabendverkehr war in vollem Gange. Eingezwängt stand ich im Mittelgang, unfähig, mich zu bewegen, als ich ein leises Keuchen vernahm. Ich vermutete, es käme von meinem Begleiter im Haarknoten, doch der Luftzug an meinem Ohr belehrte mich eines Besseren.
    Der Mann hinter mir rieb sich an mir! Ich fühlte sein erigiertes Glied an meiner Pobacke und er bewegte den Unterleib hin und her. Scham und Hilflosigkeit überschwemmten mich und ließen meinen Körper erstarren. Meine Hand verkrampfte sich um den Haltegriff, die Fingerknöchel traten weiß hervor. Angst und Scham wanderten aus meinem Magen in meine Kehle, als ein Flüstern mein Trommelfell erreichte. Xande!
    Was er mir vorschlug, klang so ungeheuerlich, dass ich leise nachfragte: »Ist das dein Ernst?«
    »Tu es! Du wirst sehen, es geht dir danach viel besser!«
    Ich weiß bis heute nicht, woher ich den Mut nahm, aber ich gehorchte. Ich drehte mich zu dem Kerl um. »Such dir eine andere Arschbacke, an der du deinen dreckigen Schwanz rubbeln kannst, du perverser kleiner Hurensohn!«, brüllte ich ihn an.
    Seine Gesichtsfarbe wechselte von einem sanften Rotton sexueller Erregung in ein tiefes Violett. Er wandte sich ab und drängelte sich fluchtartig durch die Fahrgäste zur Tür. Für einen Moment herrschte absolute Stille im Bus, dann fing eine ältere Dame neben mir an, zu klatschen. Innerhalb weniger Sekunden fielen die meisten der Umstehenden ein. Schnell verflog die aufkeimende Verlegenheit, Triumph und Selbstzufriedenheit quollen in mir hoch und ich wisperte ein leises: »Danke, Xande!«
    Herrlich! Ich hatte mich durchgesetzt. Anja wäre stolz auf mich.

    *

    Das Treffen der Selbsthilfegruppe verlief wie viele Treffen davor. Man bewunderte meine neue Frisur und ich fragte mich, ob diese Bewunderung ausgesprochen worden wäre, hätte man gewusst, warum ich die Haare hochgesteckt hatte. Ich erzählte von meiner Woche, meinem Besuch bei der Therapeutin, meinem Anfall von Suchtdruck, und wie ich ihn überwunden hatte. Xande und die Szene im Bus verschwieg ich.

    *

    Am nächsten Morgen erwachte ich erfrischt und fühlte mich ausgeruht, wie lange nicht mehr. Fröhlich ›Stairway to heaven‹ vor mich hin pfeifend, bereitete ich mir ein Frühstück. Meine gute Laune war schlagartig dahin, als ich die Zeitung aus dem Briefkasten holen wollte. Sie war verschwunden. Im regelmäßigen Verschwinden meines Tageblatts lag nichts geheimnisvolles. Ich wusste seit Langem, dass mein Nachbar aus der dritten Etage sie nahm, wann immer ihn nach einer Morgenlektüre gelüstete. Er stahl bei allen Nachbarn abwechselnd, jedoch traute sich kaum jemand im Haus, dem aggressiven alten Mann mit dem auf Frauenhintern und Brüste fixierten Starren die Meinung zu sagen.
    Innerlich vor Wut kochend ließ ich mich auf den Küchenstuhl fallen und begann, hektisch in meinem lauwarm gewordenen Kaffee zu rühren.
    »Guten Morgen, meine kleine Amazone.« Ich sah zu Xande auf, der in der Küchentür schwebte.
    »Hey, hey … was ist dir denn über die Leber gelaufen?« Er

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