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Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie

Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie

Titel: Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Sträter
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Dudes. Endstation. War nett mit euch. Gutes Gespräch.«
    »Sicher«, murmelte ich und schaffte es, mich einigermaßen
überzeugend zu bedanken.
    Wir sahen dem Kerl nach, die leiser werdenden Klänge der Red
Hot Chili Peppers im Ohr.
    »Was hat der die ganze Zeit erzählt?«, fragte Ingo, nicht
wirklich interessiert.
    »Er wollte ’ne Menge Zeug über deine Freundin wissen«,
erwiderte ich.
    »Was denn?« Jetzt war er interessiert.
    »Der übliche Scheiß. BH-Größe, allgemeine Gelenkigkeit, Tag
des Eisprungs, Abmessungen der Schamlippen in Quadratzentimetern.«
    Ingo lief dunkelrot an.
    »Ein paar Daten musste ich schätzen«, beschwichtigte ich
ihn.
     
    Später Abend.
    Dunkelheit senkte sich über uns; der typisch amerikanische
Horizont lag nur noch zehn Meter vor uns. Wir waren nun seit sechzehn Stunden
unterwegs.
    »Da ist ’n Rastplatz«, sagte Ingo.
    Ich hatte ihn auch schon entdeckt, war allerdings gewillt,
ihn zu ignorieren: Rastplätze hatten sich als Abschussrampe nach Boston nicht
wirklich bewährt.
    Dann sah ich das Zeichen. Gleißend kündete es von neuer
Energie und Glückseligkeit – wenn man die Gurken vom Burger runtergefummelt
hatte. Vor uns lag eine McDonalds-Filiale babylonischen Ausmaßes; ich schätzte
sie auf die Größe eines deutschen Vorstadtbahnhofs.
    »Cheeseburger«, fantasierte Ingo.
    »Mc Rib«, sabberte ich.
    »Ein Klo zum Hinsetzen«, frohlockte Ingo.
    »… und Cola«, setzte ich nach, was mir einen finsteren Blick
einbrachte.
    Es war kühl im Inneren; die einzige Bedienung stand hinter
einem mindestens zwanzig Meter langen Tresen, keine Regung im Gesicht, ein
Headset auf dem Kopf.
    »Hm?«, sagte sie.
    Ich bestellte und der McDonaldsmann sprach es leise und
beinahe zeitgleich in sein Mikrophon. Das Essen kam augenblicklich eine
abschüssige Stahlrampe heruntergeglitten. Innerhalb von dreißig Sekunden hatten
wir bestellt, bezahlt und unsere Mahlzeit erhalten. Warum funktioniert das
nicht auf dem Dortmunder Einwohnermeldeamt?
    Wir aßen schweigend.
    »Und jetzt?«, zerschmatzte Ingo meine Gedanken.
    »Gehen wir raus und labern Trucker an. Mir fällt nichts
anderes ein.«
     
    Nach zwanzig Minuten devoten Bettelns hatten wir Erfolg. Hank.
Er war Texaner, trug einen Cowboyhut und redete eine Art gesungenes
Klingonisch.
    Texanisch verhält sich zu normalem Amerikanisch etwa wie
Sächsisch zu Hochdeutsch, wenn man rote Grütze im Mund hätte. Ich verstand nur
jedes dritte Wort, aber Hank war herzlich. Er lenkte einen Truck von der Größe
eines Intercity und transportierte allen Ernstes Heinz-Ketchup von Küste zu
Küste, wie er erzählte.
    »Ich sitz vorne, ich sitz vorne!«
    »Mach was du willst, Ingo«, erwiderte ich. Ich war müde –
mehr als das.
    Hank meinte, das wäre keine gute Idee, eine Information, die
ich Ingo unterschlug; es erschien mir unwichtig.
    »Du willst vorn sitzen? All right!«
    »Was hat er gesagt?«
    »Du darfst vorn sitzen, Mann.«
    Ingo freute sich – einen Moment lang. Dann stellte er fest,
dass »vorn« ein hölzerner Nothocker war, der einen wie einen Affen auf dem
Schleifstein sitzen ließ, während »hinten«, meine Damen und Herren, eine
klimatisierte Kabine mit dem Gesamtwerk von Billy Joel auf CD, Farbfernseher
und Kühlbox voller Millers war.
    Billy sang »New York State of Mine«, aber die zweite Strophe
bekam ich schon nicht mehr mit.
    Ich schlief gerade so tief, dass ich Ingos »Kann ich jetzt
nach hinten?« jedes Mal mit »Nö« parieren konnte, was stets von Hanks
meckernder Lache quittiert wurde, der wohl ahnte, worum es ging.
    »Kann ich jetzt nach hinten?«
    »Nö.«
    »Har Har«
    Pause.
    »Kann ich jetzt nach hinten?«
    »Nö.«
    »Har Har«
    Pause.
    Es klang wie die Improvisation eines Songs von Yello.
     
    Gegen Mitternacht musste ich pinkeln. Ingo würde seine
Chance bekommen, wenn Hank so nett wäre, ne Pause einzulegen.
    »Jou. Ich halte gleich.«
    Der Rastplatz war ein klassischer Truckertreff, den ich
allein betrat. Hank holte sich im daneben liegenden Nachtcafé einen Pott
Kaffee.
    »N’Abend«, rief ich ins Lokal.
    Zehn Köpfe mit betonierten Fernfahrermienen drehten sich zu
mir um.
    Ich fragte nach dem Restroom.
    Die Toiletten waren eigentlich nur eine Pinkelrinne aus
Keramik, die lediglich durch eine dieser Saloon-Pendeltüren von der Bar
getrennt war. Über der Rinne waren Spiegel, und ich sah in die starren Augen
Kaffee trinkender Lkw-Fahrer, während ich versuchte, mir die Niagarafälle ins
Gedächtnis zu rufen.
    Ich

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