Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie
Zitronentee
zuzubereiten, ahnt wovon ich rede.
Zum anderen schmeckt die Brühe nicht mal so ähnlich wie
Zitrone, es sei denn, man rührt sie an, bis sie die Konsistenz eines Pizzateigs
hat.
Also stand ich Nacht um Nacht vor meinem Wasserhahn, rührte
mir einen Tennisarm und glotzte verquollen ins Glas. Und siehe da: Keine
zwanzig Minuten galeerenartigen Löffelruderns später hatte ich meinen Drink.
Auf dem Boden des Glases klumpte das Pulver, darüber schwebte nebulös
verfärbtes Leitungswasser.
Ich trank trotzdem jedes Mal; die ersten Schlucke schmeckten
stets wie Leitungswasser, das einen schlechten Traum von einer billigen
Schwarzweißkopie des Gespenstes einer Plastikzitrone hatte – dann klatschte mir
ein halbes Pfund nasses Paniermehl in den Schlund.
Ich ziehe schon in Erwägung, mir eine dieser
Dialysemaschinen zu besorgen, die Schlecker als Geheimwaffe gegen Muskelaufbau
und Bewegung durch Getränkekistenschleppen anbietet: einen Sodastreamer oder
Wassermaxx, oder wie die Teile heißen.
Bei dem Gedanken daran erwacht sofort meine perverse
Marketingader: Man sollte diese Dinger den Anhängern der Eigenurintherapie
schmackhaft machen, Slogans wären schnell zur Hand:
Wenn ich in die Pulle strulle, gibt’s was Leckeres Zack –
Zack!
Den Finger auf den Knopf gewuchtet, schon wird dein Urin
befruchtet:
Pipi jetzt mit Kirschgeschmack.
(Jingle – dann langsam ausblenden)
Aber das würde warten müssen.
Mir hätte als Tagesziel gereicht, das alte Ex-DDR
Sandmännchen aufzuspüren, bei seinem tuntigen Kittel zu packen und es zu
zwingen, umgehend den halben Zentner Kies aus meinen Augen zu entfernen.
Gegen neun hockte ich mich vor den Fernseher und schaute bei
dem Sender rein, der als einziger in der Lage ist, in Rekordzeit meine geistige
Festplatte zu formatieren: QVC.
Ich liebe es: Männer und Frauen – die mit dem Versprechen,
nie mehr körperliche Gewalt durch randalierende Kunden erfahren zu müssen, von
den Modeschmuckständen bei Karstadt fort gelockt wurden – stehen nun dort, um
in der Sicherheit bewachter Studios Mikrofasertücher für fünfunddreißig Euro an
umnachtete Damen aus dem Harz zu verscheuern.
Ich ziehe jeden Morgen meinen Hut vor diesen Frühaufstehern,
während hochsommerlich-zähe Pampe, die meine Oma immer »Schlaf« nannte, aus
meinen Augenwinkeln rinnt.
Mein Handy brummte höhnisch, um mich zu wecken.
Demnach war ich nun offiziell wach.
Der Geist aus dem Radiowecker war sich sicher, dass es
wieder warm würde – knapp vierzig Grad.
Notaufnahmen sind klimatisiert, schoss es mir durch den
Kopf, als ich beim Auftauchen aus dem Waschbecken mit dem Skalp am Wasserhahn
hängen blieb; ich blieb jedoch unverletzt.
Ich ging in die Küche, um zu frühstücken; der Gedanke an
Knäckebrot mit Nutella ließ mich erschauern, aber ohne Mahlzeit konnte ich mir
nicht die üblichen fünf Luckys reinhecheln ohne zu kotzen.
Ich suchte einen Löffel und fand ein schäbiges Exemplar.
Das erinnerte mich an diese metaphorische Löffelnummer aus Matrix :
Dieser Löffel war nicht echt – oder zumindest nicht das, wofür ich ihn hielt.
»Du bist sauber«, sagte ich fest.
Obwohl ich mich schon länger frage, was diese dubiosen
Brüder uns mit ihrer Matrix-Trilogie sagen wollen.
Ich habe mich hingesetzt, entsprechende Hilfsliteratur zur
Hand genommen – den Wachturm, einen Quelle-Katalog, eine klebrige Broschüre von
Beate Uhse und die neue GALA – und bin dem ganzen Hokuspokus auf die Spur
gekommen. Ein teuflisch verschachteltes Machwerk voller Symbolik, aber
auseinander gefriemelt erstaunlich schlüssig.
Darum geht’s:
NEO, ein Anagramm zu EON, einem mächtigen Konzern zur
Stromversorgung (!), heißt bürgerlich Anderson; dieser Name enthält wiederum
den Namen eines bekannten Popsängers, der Jahre später aus seiner normalen
Umgebung gerissen wird, um sich dann nur noch mit Männern in Anzügen
rumzuschlagen; damit wird auf prophetische Weise die Trennung von Modern
Talking vorweggenommen.
Er folgt dem weißen Kaninchen, gelangt aber nicht in einen
Streichelzoo, sondern in die Klauen von Männern, die ihm merkwürdige Dinge ins
Ohr stecken (ein extrem gut bezahlter Hinweis auf die Innung amerikanischer
Hals-Nasen-Ohrenärzte, der nur noch von der schwülstigen Anbiederung der
Optikerinnung in Teil 3 überboten wird), bis Morpheus (dessen Name das Wort
»Morp« enthält, das Geräusch, das in frühen Werbespots entstand, wenn man dem
Pilsburrymännchen auf den
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