Brandbücher - Kriminalroman
ist doch gar nicht mehr wichtig. Außerdem ist das nur Arbeiterliteratur, da ist uns sicher nichts entgangen.«
»Doch«, entgegnete sein Vater schwermütig. »Das sind die Vorboten. Warte nur, ab morgen wird es jeden Tag solche Nachrichten geben und irgendwann kommen sie auch zu uns.«
3
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Ich wollte gerade das Buch, das ich mir heimlich ausgeliehen habe, zurück ins Reg a l stellen. Samuel hat es mir empfohlen. ›Brennendes Geheimnis‹ von Stefan Zweig. Da kam Gerhard wütend in den Laden. »Die haben uns einfach rausgeworfen«, schimpfte er. Zuerst wusste ich gar nicht, wovon er redete.
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Dann ha b e ich mich erinnert, dass er zu einem Treffen der Gewerkschaft wollte. Da gab es einen Vortrag darüber, dass Maler und andere Handwerker mehr verdienen müssten. Er wollte unbedingt dorthin. Er meckert immer, dass er nicht genug Geld verdient, um mich ins Kino einzuladen.
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»Sie haben gesagt, es gibt eine Verordnung. Man darf si c h nicht mehr treffen.« Gerhard konnte sich gar nicht beruhigen. »Aber die Nazis! Die dürfen sich treffen.« Ich war froh, dass niemand im Laden war. Auch nicht Samuel oder Herr Weizmann. Man schimpft doch nicht so auf die Nazis. Das ist gefährlich.
Karina drehte die erste Karte eines neuen Päckchens um, auf der Vorderseite waren bunte Bildchen zu sehen. »Pfarrkirche«, las sie laut, »Krankenhaus« und »Alter Festungsturm.« Rechts unten auf der Karte befand sich ein freies Feld, in das ihre Tante den letzten Satz geschrieben hatte. Es sah aus, als wäre sie nicht fertig geworden.
Inzwischen war Karina sicher, dass ihre Großtante die Karten geschrieben hatte. Der Schriftvergleich ließ kaum einen Zweifel zu und auch der Inhalt passte zu dem, was Karina über die Tante ihres Vaters wusste. Sie konnte sich allerdings nicht erklären, wieso ihre Großtante das getan hatte.
Am liebsten hätte sie alle Karten hintereinander gelesen, doch die Arbeit rief. In wenigen Tagen würden die Mitarbeiter des Sozialkaufhauses die Möbel und den Hausrat abholen. Bis dahin, das hatte Karina ihrem Vater und sich selbst versprochen, wollte sie jedes Buch, jede Schublade und jeden Schrank durchsehen. Und ihre Bewerbungen durfte sie nicht vergessen. Ihre Prüfungen lagen zwei Monate zurück und sie hatte sich noch immer nicht um eine Stelle gekümmert. Sie konnte sich einfach nicht entscheiden, was sie machen wollte. Als Bauingenieurin hatte sie so viele Möglichkeiten. Karina schüttelte den Gedanken ab und wandte sich den alten Schränken zu.
Ich muss mehr über Tante Katharina in Erfahrung bringen, dachte sie, während sie eine Schublade nach der anderen öffnete. Über ihre Großtante fand sie nichts, in den Schränken stapelten sich alte Zeitungen, Tischdecken und vergilbte Bettwäsche. Das Rezeptbuch und die Postkarten schienen das einzig Persönliche zu sein, das es von ihr gab.
Karina suchte nach dem Telefon. Sie wollte schon die Nummer ihres Vaters wählen, da fiel ihr ein, dass das Telefon möglicherweise die letzten Anrufe speicherte. Vielleicht gab es eine Freundin, die ihr mehr über ihre Großtante erzählen konnte.
Die erste Nummer, die Karina entdeckte, gehörte zu einem Anschluss im Ort. Sie drückte auf die Wahlwiederholungstaste und hörte das Freizeichen. »Evangelisches Pfarramt, Kowalski«, sagte kurz darauf eine weibliche Stimme, die klang, als käme sie von einem Anrufbeantworter.
Karina wartete auf die Aufforderung, eine Nachricht zu hinterlassen. Als die Stimme »Hallo, wer ist da?« sagte, bemerkte Karina ihren Irrtum. »Karina Bessling«, antwortete sie schnell und fügte hinzu: »Ich räume gerade das Haus meiner Großtante auf.«
Kurz überlegte Karina, ob sie erklären sollte, warum sie ausgerechnet im Pfarramt anrief. Doch die Frau am anderen Ende der Leitung unterbrach sie sofort. »Katharina Bessling? Aber die ist doch gerade gestorben!«
Im ersten Moment war Karina irritiert, bis sie begriff, dass die Frau sie mit ihrer Großtante verwechselte. Ob ihre Stimme wirklich so alt klang? »Meine Großtante hat vor ihrem Tod bei Ihnen angerufen«, versuchte Karina es erneut. »Wissen Sie zufällig, wer mit ihr gesprochen hat und was sie wollte?«
Was redete sie da eigentlich? Sie hörte sich an wie ein Fernsehkommissar, dabei wollte sie nur mehr über ihre Großtante erfahren. »Ich nicht!« Die Stimme aus dem Telefonhörer unterbrach Karinas Gedanken. »Vielleicht Pfarrer Kleine«, überlegte die Frau aus dem Pfarramt laut. »Aber der
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