Brandhei
ihn zu Boden schlug. »Ich habe deine Anweisungen dabei.« Er schlug sich auf die Tasche. »Aber du hast mich ja gar nicht gebeten, die Karotten in schmale Streifen zu schneiden.«
»Diesmal nicht. Aber du musst mit dem Chili vorsichtig sein …«
»Ich komm schon klar.« Vermutlich. »Vertrau mir.«
Sie sah ihn nur an, und es war ganz merkwürdig, aber er brauchte sie nur anzuschauen, und es brach ihm irgendwie das Herz. Amy hatte etwas Besonders, da war etwas in ihren Augen, an dieser rauen Schale und dem weichen
Kern. Er wollte sie wirklich näher kennen lernen, allerdings fand er es doch sehr ungewöhnlich, dass dieses Gefühl nicht erwidert wurde.
Sie trug wieder ihre schwarze Jeans und die schwarzen Stiefel.
Bei ihrer Ankunft auf der Ranch hatte er angenommen, dass sie nichts anderes besaß, denn sie hatte nur einen kleinen Duffelbag dabeigehabt. Inzwischen hatte sie ein paar Mal Lohn bekommen und hätte sich etwas anderes kaufen können, wenn sie gewollt hätte. Aber vielleicht sparte sie ja für schlechte Zeiten.
Sie sah Tucker über die Schulter hinweg an und inspizierte, wie er alles gepackt hatte. Dabei fielen ihre Haare nach vorn, so dass er ihren Nacken sehen konnte. Dort hatte sie ein kleines Tattoo, eine Sonne; plötzlich streckte er die Hand aus und berührte es.
Amy schrak zusammen und drehte sich abrupt um.
»Entschuldige.« Er hob die Hand. »Ich habe eben nur gedacht, wie schmerzhaft das an einer so empfindlichen Stelle gewesen sein muss.«
Sie legte sich die Hand in den Nacken. »Das ist schon lange her.«
»Das Tattoo ist hübsch. Wirklich«, sagte er. »Du bist hübsch.«
Worauf sie schallend lachte und sich zum Gehen wandte.
Er stellte sich vor sie. »Also, wie lange kann das her sein? Du bist jetzt... wie alt, achtzehn?«
»Sechs Jahre.«
»Mein Gott.« Er stieß einen leisen Pfiff aus. »Welche Mutter erlaubt es denn, dass sich ihre Tochter mit zwölf tätowieren lässt?«
»Eine tote Mutter.«
O Mann. Er war ein Idiot. Ein Idiot, der einfach nicht die Klappe halten konnte.
Amy begann, die Lasten auf dem Pferd zurechtzurücken – obwohl sie beide wussten, dass er seine Sache gut gemacht hatte. »Sag ja nicht, dass es dir leid tut«, sagte sie, als er den Mund aufmachte. »Ich war noch ganz klein, als sie starb. Ich habe sie gar nicht kennen gelernt.«
»Wer hat dich dann großgezogen?«
»Mein Vater.« Sie zuckte mit den Schultern und packte einige Lebensmittel um. »Wenn man das so nennen kann.«
Er legte die Hand über ihre. »Wenn man das so nennen kann?«
»Er hat sich nicht oft zu Hause blicken lassen.«
»Und jetzt?«
»Und jetzt... lässt er sich immer noch nicht viel blicken.« Sie entzog ihm ihre Hand und dirigierte das Pferd zwischen sie beide. »Er ist Lkw-Fahrer.«
Und zwar ein wütender, vermutete Tucker, während er sehr vorsichtig um das Pferd herum und näher an Amy trat. »Es muss schwer für dich gewesen sein, ohne Mutter aufzuwachsen.«
»Hör auf damit.« Sie trat einen Schritt zurück, ihr Atem ging ein wenig zu schnell. »Ich will dein Mitleid nicht.«
»Es ist nicht Mitleid, was ich empfinde.«
Amy blickte ihn forschend, ein wenig finster an, worauf Tucker bewusst ein freundliches Lächeln aufsetzte, auch wenn er sie eigentlich viel lieber berührt hätte. Umarmt hätte. Aber Amy stand am Rande einer Panik, weil sie fürchtete, zu viel von sich preiszugeben, oder weil er ihr zu nahe gekommen war. Das eine oder das andere. »Werde ich dir fehlen, wenn ich nicht da bin?«
Sie sah ihn an, als wäre er verrückt geworden.
Er schenkte ihr ein hoffnungsvolles Lächeln.
Sie schüttelte den Kopf, aber wenn er sich nicht täuschte, blitzte da plötzlich ein kleiner Funken guter Laune in ihren dunklen Augen auf.
»Ich bin kein so schlechter Kerl, Amy. Vielleicht könntest du mir irgendwann ja mal die Chance geben, es dir zu beweisen.«
Sie sah ihn einen langen, langen Augenblick an. »Vielleicht.« Und damit wandte sie sich um und ging davon, so dass er einfach nur dastand und ihr hinterherschaute.
»Bis dann, wenn ich wieder zurück bin!«, rief er noch.
Ohne zurückzuschauen, hob Amy eine Hand, als wollte sie sagen: Ja, ja, was auch immer; trotzdem trat ein erwartungsvolles Grinsen auf Tuckers Gesicht.
Sie ritten den ganzen Tag. Die Dragoon-Berge waren ein Labyrinth aus gähnenden Schluchten, jähen Abhängen und spitzen Granitfelsen. Felsbrocken groß wie die Stallung der Ranch wechselten sich ab mit verstreut umherliegenden kleineren
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