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Brandherd

Brandherd

Titel: Brandherd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Zentrum gleich da drüben.« Dr. Ensor zeigte auf ein hohes Gebäude in der Nähe.
    »Und vom Odyssey House.«
    Sie wies mit dem Kopf auf ein weitaus kleineres Gebäude hinter Kirby, zu dem ein Garten und ein aufgesprungener asphaltierter Tennisplatz mit einem ausgebeulten, zerrissenen Netz gehörten.
    »Drogen, Drogen und nochmals Drogen«, setzte sie hinzu. »Sie gehen rein zur Beratung, und wir haben sie schon dabei erwischt, wie sie sich beim Rausgehen ihren Joint drehten.«
    »Ich warte hier auf dich«, sagte Lucy. »Oder ich lasse auftanken und komme dann wieder zurück.«
    »Es wäre mir lieber, du würdest warten«, sagte ich. Dr. Ensor und ich gingen den kurzen Weg nach Kirby rüber, gefolgt von Blicken, in denen ein unaussprechlicher, unauslotbarer Hass oder Schmerz lagen. Ein Mann mit einem verfilzten Bart schrie uns zu, dass er mitfliegen wolle, und deutete in Richtung Himmel , schlug mit den Armen wie mit Flügeln und hüpfte dabei auf einem Bein. Verwüstete Gesichter schienen einer anderen Welt zugekehrt, blickten gänzlich ausdruckslos oder waren von einer bitteren Verachtung erfüllt, die nur daher rühren konnte, dass diese Menschen aus ihrer Welt heraus auf andere blickten, die nicht durch Drogen oder Wahn versklavt waren. Wir waren die Privilegierten. Wir waren die Lebenden. Wir waren Gott in den Augen derer, die keine anderen Fähigkeiten besaßen, als sich selbst und andere zu zerstören; wir hingegen gingen, wenn der Tag zu Ende war, einfach nach Hause. Der Eingang des Psychiatriezentrums Kirby bot den für eine staatliche Einrichtung üblichen Anblick, und seine Wände waren in demselben stumpfen Blaugrün gestrichen wie die Fußgängerbrücke über den Fluss. Dr. Ensor führte mich um eine Ecke und drückte auf einen Knopf an der Wand.
    »Kommen Sie zur Sprechanlage«, erklang eine schroffe Stimme, die sich anhörte wie die des Zauberers von Oz. Vertraut mit den Prozeduren, ging sie einfach weiter zur Sprechanlage.
    »Dr. Ensor«, sagte sie.
    »Ja, Ma'am.« Die Stimme wurde menschlich. »Kommen Sie rein.« Der Zugang ins Innere von Kirby war charakteristisch für eine Haftanstalt. Die Türen waren als Schleusen angelegt, und Schilder warnten vor dem Mitführen verbotener Dinge wie Waffen, Sprengstoffen, Munition, Alkohol oder Gegenständen aus Glas. So beharrlich Politiker, Vertreter der Gesundheitsfürsorge und die kriminalpsychiatrische Rechtshilfe auch dafür eintreten mochten - eine Klinik war das hier nicht. Die Patienten waren Häftlinge. Sie waren Gewalttäter, die in einer Anstalt mit scharfen Sicherheitsvorkehrungen untergebracht waren, weil sie vergewaltigt und geprügelt hatten. Sie hatten ihre Familien erschossen, ihre Mütte r verbrannt, ihren Nachbarn ein Messer in den Bauch gerammt und ihre Liebhaber verstümmelt. Sie waren Ungeheuer, die zu Berühmtheiten geworden waren wie etwa Robert Chambers, der berüchtigte Yuppie-Mörder, oder Rakowitz, der seine Freundin ermordet und gekocht und Teile von ihr angeblich an die Stadtstreicher verfüttert hatte, oder eben Carrie Grethen, die schlimmer war als alle anderen. Die blaugrün gestrichene, vergitterte Tür öffnete sich mit einem elektronischen Klicken, und die Sicherheitsbeamten in den blauen Uniformen behandelten Dr. Ensor äußerst zuvorkommend und mich ebenfalls, da ich offensichtlich ihr Gast war. Trotzdem ließ man uns einen Metalldetektor passieren, und unsere Handtaschen wurden sorgfältig durchsucht. Es war mir peinlich, als man mich darauf hinwies, dass man jeweils nur eine Dosis eines Medikaments mit hineinnehmen dürfe, während ich genügend Motrin, Immodium, Tums und Aspirin dabeihatte, um eine ganze Station zu versorgen.
    »Ma'am, Ihnen geht's wohl gerade nicht so besonders«, sagte einer der Beamten gutmütig.
    »Eins kommt zum anderen«, sagte ich und war nur froh, dass ich wenigstens meine Pistole in meinen Aluminiumkoffer eingeschlossen hatte, der jetzt sicher im Gepäckfach des Hubschraubers verwahrt war.
    »Na schön, jedenfalls muss ich das so lange hier behalten, bis Sie wieder rauskommen. Es wartet hier auf Sie, okay? Vergessen Sie nur nicht, danach zu fragen.«
    »Danke«, sagte ich, als hätte er mir gerade einen Gefallen getan. Man erlaubte uns, durch eine weitere Tür zu gehen, die mit dem Warnschild Gitterstäbe nicht berühren versehen war. Dann befanden wir uns auf kahlen, farblosen Fluren, bogen um Ecken und gingen an geschlossenen Türen vorbei, hinter denen irgendwelche Sitzungen

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