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Brandherd

Brandherd

Titel: Brandherd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Sie war in der blaugrünen Farbe oxidierten Kupfers gestrichen und lag fast eineinhalb Kilometer südlich von Kirby. Ich bat Lucy, über sie hinwegzufliegen, und beobachtete aus der Luft, wie Leute zwischen Ward's Island und den East-River-Wohnsiedlungen von Harlem sie in beide Richtungen überquerten.
    »Ich sehe nicht, wie sie am helllichten Tage d a rübergekommen sein soll«, sagte ich zu Lucy. »Nicht, ohne von irgendjemandem gesehen zu werden. Doch selbst wenn sie das geschafft hätte, was dann? Kurze Zeit später war doch überall Polizei, vor allem auf der anderen Seite der Brücke. Und wie ist sie nach Lehigh County gekommen?«
    Wir kreisten langsam in fünfhundert Fuß Höhe. Unter uns waren die Überreste einer Fähre zu erkennen, die früher einmal zwischen Queens und Manhattan verkehrt haben musste, und die Ruinen eines Piers, der nur noch als ein Haufen verrottenden, geteerten Holzes von einem kleinen, offenen Feld auf der Westseite von Kirby in wenig einladendes Gewässer hinausragte. Das Feld sah aus, als eignete es sich für eine Landung, vorausgesetzt, wir hielten uns eher ans Flussufer als an die eingezäunten Spazierwege und Bänke der Klinik.
    Während Lucy den Luftraum über uns zu überprüfen begann, blickte ich auf die Leute am Boden nieder. Alle trugen Zivilkleidung; manche räkelten sich in der Sonne oder lagen ausgestreckt auf dem Rasen, andere saßen auf den Bänken oder schlenderten langsam die Spazierwege mit ihren verrosteten Abfalltonnen entlang. Selbst aus fünfhundert Fuß Höhe konnte ich den elenden Aufzug und den seltsamen Gang der nicht mehr behandelbaren Kranken erkennen. Sie starrten reglos zu uns hinauf, als wir die Gegend nach Hindernissen wie Stromleitungen, Spanndrähten und weichem, unebenem Boden absuchten. Eine Überprüfung des Luftraums unter uns bestätigte, dass wir unbesorgt landen konnten. Unterdessen hatten noch mehr Leute die Gebäude verlassen oder schauten heraus und standen in Türöffnungen, um zu beobachten, was dort von oben auf sie zukam.
    »Wir hätten es vielleicht doch besser in einem der Parks versuchen sollen«, sagte ich. »Hoffentlich lösen wi r keinen Aufstand aus.«
    Lucy setzte zur Landung an. Gestrüpp und hohes Gras wogten heftig hin und her, was einen Fasan und seine Brut aufscheuchte, die verschreckt am Ufer entlangeilten und zwischen Binsensträuchern entschwanden. Es war nicht leicht, sich derart unschuldige und verletzliche Lebewesen so dicht bei dieser Ansammlung verstörter Menschenseelen vorzustellen. Mir fiel auf einmal Carries Brief wieder ein, der seltsame Absender One Pheasant Place - Fasanenplatz 1. Was hatte sie mir damit sagen wollen? Dass auch sie die Fasane gesehen hatte? Und wenn, warum war das wichtig?
    Weich setzte der Hubschrauber auf, und Lucy stellte den Handgashebel auf Leerlauf. Die zwei Minuten bis zum Abstellen des Motors zogen sich endlos hin. Die Rotorblätter drehten sich, während die digitale Sekundenanzeige vorrückte und Patienten und Anstaltspersonal stehen geblieben waren und zu uns herüberstarrten. Manche standen vollkommen reglos, den glasigen Blick unentwegt auf den Boden gerichtet, während andere selbstvergessen am Zaun zupften oder mit ruckhaften Bewegungen umhergingen, den Blick auf der Erde. Ein alter Mann, der sich gerade eine Zigarette drehte, winkte, eine Frau mit Lockenwicklern murmelte vor sich hin, und ein junger Mann mit Kopfhörern verfiel auf dem Fußweg in ein ausgelassenes rhythmisches Gehampel, uns zuliebe, wie es schien. Lucy nahm das Gas ganz raus, bremste den Hauptrotor und stellte die Turbine ab. Als die Rotorblätter gänzlich zum Stillstand gekommen waren und wir ausstiegen, löste sich eine Frau mit kurz geschnittenem dunklem Haar aus der Menge. Sie trug ein elegantes Fischgrätenkostüm und hatte trotz der Hitze die Jacke nicht abgelegt. Ich wusste auf Anhieb, dass mir Dr. Lydia Ensor entgegenkam, und sie wiederu m schien sicher zu sein, dass ich diejenige war, mit der sie gesprochen hatte, denn sie schüttelte mir als Erste die Hand, als sie sich vorstellte.
    »Ich muss sagen, Sie haben für einiges Aufsehen gesorgt«, sagte sie mit einem leichten Lächeln.
    »Und dafür möchte ich mich gleich entschuldigen«, antwortete ich.
    »Kein Problem.«
    »Ich bleibe beim Hubschrauber«, sagte Lucy. »Bist du sicher?«, fragte ich.
    »Ganz sicher«, erwiderte sie, und ihr Blick streifte die wenig Vertrauen erweckende Menge.
    »Die meisten hier sind Freigänger aus dem psychiatrischen

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