Brandherd
Alters ebenso verwehrt geblieben waren wie die Erfahrung der Liebe.
So hatte er anderen geraubt, was er selbst nicht besaß. Er hatte zerstört, wie er selbst zerstört worden war. Brandherd seiner Verbrechen war sein eigenes unglückliches Schicksal gewesen, sein elendes Ich.
Es tat mir nicht Leid für ihn. Wie ich auch nicht glaubte, dass er und Carrie noch hier in der Stadt oder auch nur in der Gegend waren. Sie hatten bekommen, was sie hatten haben wollen, jedenfalls fürs Erste. In die Falle, die ich gestellt hatte, war ich selbst gegangen. Ich sollte Benton finden, und ich hatte ihn gefunden.
Das Schlusswort, dessen war ich sicher, war, was Carrie am Ende mir zufügen würde, doch im Augenblick war ich zu zerschlagen, um mir deshalb Sorgen zu machen. Ich fühlte mich wie tot. Ich zog mich auf eine alte, verwitterte Marmorbank im wuchernden Grün von Joyce' verwilderten Garten zurück. Hostien, Begonien und Fici kämpften mit Pampasgras um das Sonnenlicht, und ich entdeckte Lucy am Rande des gesprenkelten Schattens, den die immergrünen Eichen warfen, dort, wo Hibiskusbüsche ungehemmt mit ihren roten und gelben Blüten protzten.
»Lass uns nach Hause fliegen, Lucy.«
Ich saß neben meiner Nichte auf kaltem, hartem Stein, den ich mit Friedhöfen verband.
»Ich hoffe nur, dass er tot war, ehe sie das mit ihm gemacht haben«, sagte sie ein zweites Mal.
Ich wollte darüber nicht nachdenken.
»Ich hoffe bloß, dass er nicht gelitten hat.«
»Sie will doch nur, dass wir uns mit solchen Fragen herumquälen«, sagte ich, während Zorn den Nebel meiner Ungläubigkeit durchdrang. »Sie hat uns doch wirklich genug genommen, oder nicht? Wir wollen ihr nicht noch mehr geben, Lucy.«
Sie hatte keine Antwort für mich.
»Das ATF und die Polizei werden hier vor Ort weiterarbeiten«, fuhr ich fort und hielt dabei ihre Hand. »Lass uns nach Hause zurückkehren, und dann gehen wir von da aus vor.«
»Wie denn?«
»Das weiß ich selbst noch nicht.« Ich war so aufrichtig, wie ich konnte.
Wir standen gemeinsam auf und gingen am Haus vorbei nach vorn, wo McGovern gerade mit einem Beamten sprach, der an ihrem Wagen stand. Als sie uns beide erblickte, wurde ihr Blick weich und mitfühlend.
»Wenn Sie uns zum Hubschrauber zurückfahren«, sagte Lucy mit einer Festigkeit, die sie nicht empfand, »dann fliege ich ihn nach Richmond zurück, und die Grenzpatrouille kann ihn sich dort abholen. Wenn Sie einverstanden sind, meine ich.«
»Ich weiß nicht recht, ob Sie jetzt fliegen sollten.« Auf einmal war McGovern wieder Lucys Ausbilderin.
»Glauben Sie mir - ich bin okay«, antwortete Lucy, und ihre Stimme wurde härter. »Außerdem, wer soll ihn denn sonst fliegen? Und wir können ihn doch nicht neben einem Fußballplatz stehen lassen.«
McGovern blickte Lucy unschlüssig an. Sie entriegelte den Explorer.
»Na schön«, sagte sie dann. »Steigen Sie ein.«
»Ich erstelle einen Flugplan«, sagte Lucy, als sie nebe n ihr saß.
»Dann können Sie kontrollieren, wo wir gerade sind, falls Sie das beruhigt.«
»Tut es«, sagte McGovern und ließ den Motor an. McGovern schaltete das Funkgerät ein und rief einen der Beamten im Haus. »Holen Sie mal Marino ran«, sagte sie.
Nach einem Weilchen ertönte Marinos Stimme.
»Ich höre«, sagte er.
»Die Reisegesellschaft hebt ab. Kommen Sie mit?«
»Ich bleibe lieber unten«, kam seine Antwort. »Werde mich hier noch 'n bisschen nützlich machen.«
»Verstehe. Wir wissen das zu schätzen.«
»Sagen Sie ihnen, sie sollen vorsichtig fliegen«, sagte Marino. Ein Campuspolizist auf Fahrradstreife hielt neben dem Hubschrauber Wache, als wir eintrafen, und auf den Tennisplätzen daneben herrschte munteres Treiben, während einige junge Männer in Tornähe auf dem Fußballfeld trainierten. Der Himmel war blau, die Bäume regten sich kaum, als wäre nichts Böses geschehen. Lucy führte die Vorfluginspektion durch, während McGovern und ich im Wagen warteten.
»Was haben Sie jetzt vor?«, fragte ich sie.
»Die Medien mit Bildern und überhaupt sämtlichen Informationen zu bombardieren, die beitragen können, dass sie da draußen jemand wieder erkennt«, antwortete sie. »Die müssen ja essen. Die müssen schlafen. Und er wird Flugbenzin brauchen. Irgendwann muss es ihm ja ausgehen.«
»Es ist doch unerklärlich, dass man ihn nicht schon früher entdeckt hat, wo er doch ständig tanken, landen, fliegen und was weiß ich alles musste.«
»Wie's aussieht, hatte er jede Menge Sprit
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