Brandstifter - Paretsky, S: Brandstifter - Burn Marks
kümmern.
»Jedenfalls heißt die Mutter mit Nachnamen Ramsay.« Carol buchstabierte es mir. »Sie liegt im Zimmer vierzweiundzwanzig im Hauptgebäude. Ich habe der Oberschwester erzählt, Sie seien Sozialarbeiterin, damit Sie keine Schwierigkeiten bekommen, wenn Sie zu ihr wollen.«
Ich verzog das Gesicht, als ich mich bei ihr bedankte. Sozialarbeiterin! Eine passende Beschreibung für die Art, wie ich meine Zeit verbracht hatte, seit Elena letzte Woche plötzlich bei mir vor der Tür stand. Vielleicht war es an der Zeit, daß ich Republikanerin wurde und es Nancy Reagan gleichtat. Wenn Alkoholiker oder schwangere Süchtige bei mir an die Tür klopften, würde ich von jetzt an einfach nein sagen.
11 Oma mit Rauchvergiftung
Ich stieg in den Chevy und sackte über dem Lenkrad zusammen. Es war erst Mittag, aber ich fühlte mich, als wäre ich eine Woche lang auf dem Mount Everest herumgeklettert. Ein schwacher Geruch nach Erbrochenem hing noch im Auto, trotz der zwanzig Minuten, die ich damit verbracht hatte, den Rücksitz zu scheuern. Allmählich merkte ich, daß es meine stinkenden Kleider waren, die ich roch. Meine Jeans waren dreckig, auf dem Sitz kniend hatte ich sie verschmiert und war bisher nur zu beschäftigt gewesen mit Elena, als daß es mir aufgefallen wäre. Ich schüttelte mich, ließ den Motor an und fuhr in waghalsigem Tempo nach Süden, machte mir nicht einmal die Mühe, nach den blauweißen Verkehrsstreifen Ausschau zu halten. Ich wollte nur nach Hause, die Kleider loswerden und mich so sauber schrubben, wie es irgend ging.
Ich ließ den Chevy, wie er stand, schief zum Bordstein und etwa einen Meter davon entfernt, hastete zwei Stufen auf einmal die Treppen hinauf. Ich konnte es kaum erwarten, die Kleider loszuwerden, verstreute Jeans, T-Shirt und Slip im Flur und stürzte ins Bad. Fast eine halbe Stunde stand ich unter dem heißen Wasser, wusch mir zweimal das Haar, seifte mich gründlich ab. Endlich fühlte ich mich sauber, hatte Süchtige und Alkoholiker aus meinem Leben weggespült.
Ich zog mich langsam an, nahm mir Zeit für das Make-up und machte mir das Haar mit etwas Gel zurecht. Ein goldfarbenes Baumwollkleid mit großen schwarzen Knöpfen gab mir ein Gefühl von Eleganz und Gelassenheit. Ich wühlte im Flurschrank sogar nach einer schwarzen Handtasche, die zu den Pumps paßte.
Auf dem Weg hinaus sammelte ich die Kleidungsstücke auf und brachte sie in den Keller. Die Bettwäsche war fertig für den Trockner, aber meine Leidenschaft für Hausarbeit kennt ihre Grenzen – ich stopfte die Jeans zur Bettwäsche und ließ das Programm von vorn laufen.
Es war jetzt kurz nach eins. Wenn ich vor meinem Treffen mit Dominic Assuevo Zerlina sehen wollte, mußte das Mittagessen ausfallen. Und ich sollte sie wohl sehen, obwohl meine Begeisterung für die Familie Ramsay den Tiefstand erreicht hatte. Ich fuhr zum Lake Shore Drive hinüber und überließ mich dem Verkehrsstrom nach Süden.
Das Michael Reese Hospital beherrscht das Seeufer entlang der Twenty-seventh Street. Ich umkreiste den Gebäudekomplex mehrmals, bis ich jemanden fand, der von einer Parkuhr wegfuhr – der Teufel sollte mich holen, wenn ich mir bei diesem Besuch auch noch einen Strafzettel einhandelte. Im Glaskasten am Eingang hielt eine Frau Wache. Ihr war es egal, ob ich eine Sozialarbeiterin oder eine Mörderin mit einer Axt war, deshalb mußte ich von Carols Geschichte keinen Gebrauch machen, um einen Passierschein für den vierten Stock zu bekommen.
Der unverwechselbare Krankenhausgeruch – eine Mischung aus Medikamenten, Desinfektionsmitteln und dem Schweiß von Menschen, die Schmerzen haben – ließ mich, als ich aus dem Aufzug stieg, unwillkürlich zusammenzucken. Ich hatte zuviel Zeit bei meinen Eltern in Krankenhäusern verbracht, als ich jünger war, und dieser Geruch ließ das ganze Elend dieser Jahre immer von neuem aufleben. Meine Mutter war an Krebs gestorben, als ich fünfzehn war, mein Vater zehn Jahre später an einem Emphysem. Er war ein starker Raucher gewesen, und es gibt Tage, an denen mich das immer noch wütend macht. Vor allem, wenn ein Tag mich so mürbe gemacht hat wie der heutige.
Zerlina Ramsay lag in einem Vierbettzimmer. Fernseher, hoch oben an einander gegenüberliegenden Wänden angebracht, zeigten zwei verschiedene Seifenopern. Zwei der Frauen warfen mir, als ich hereinkam, einen gleichgültigen Blick zu und wandten ihre Aufmerksamkeit sofort wieder dem Bildschirm zu; die beiden anderen
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