Brandstifter - Paretsky, S: Brandstifter - Burn Marks
dafür? Tote Junkies muß es hier doch dutzendweise geben. Und nur drei Stunden, nachdem sie gefunden worden ist, stehen drei Spitzenkräfte von der Mordkommission auf der Matte.«
Bobbys Augen glitzerten. »Du bist nicht der Chef der Kripo, Vicki. Ich bin dir keine Rechenschaft darüber schuldig, wie ich meine Zeit verbringe.«
Die Heftigkeit seines Zorns überraschte mich; sie sagte mir außerdem in Großbuchstaben, daß er nicht freiwillig hier war. Ich starrte Cerise nachdenklich an. Was an ihrem Leben oder Tod setzte die Bosse so unter Druck, daß sich das Zentralrevier in so kurzer Zeit einschaltete?
»Wo ist sie gefunden worden?« fragte ich unvermittelt.
»Auf der Großbaustelle in der Nähe der Navy Pier.« Das war McGonnigal. »Der Wächter hat sie dort im Aufzugschacht gefunden, als er die Runde machte, hat uns angerufen. Sie war noch nicht lange tot, als der Einsatzwagen dort war.«
»Rapelec Towers, stimmt’s? Weshalb hat er in den Schacht geschaut?«
McGonnigal schüttelte den Kopf. »Weiß er auch nicht recht. Warum sie auf der Baustelle war, werden wir vermutlich auch nie erfahren. Hübsch einsamer Ort bei Nacht, wenn man in Ruhe fixen will. Aber höllisch weit entfernt von der Gegend, wo man sie suchen würde.«
»Und was hatte sie bei sich, das dich auf mich gebracht hat?«
Bobby nickte Furey zu, der eine durchsichtige Tüte für Beweismaterial zum Vorschein brachte. Drin steckte ein Kunststoffrechteck. In der linken Ecke klebte mein Foto, auf dem ich genauso schwachsinnig aussah wie auf dem, das heute morgen gemacht worden war.
»Hm«, sagte ich. »Sieht aus wie mein Führerschein.«
Bobby lächelte bösartig. »Wir sind nicht in der Märchenstunde, Victoria. Kennst du dieses Mädchen, ja oder nein?«
Ich nickte widerwillig. Wie Bobby gebe ich ungern Informationen preis. »Cerise Ramsay.«
»Woher hat sie den Führerschein?«
»Sie hat ihn mir gestern morgen gestohlen.« Ich verschränkte die Arme vor der Brust.
»Hast du es gemeldet? Den Diebstahl gemeldet?«
Ich schüttelte den Kopf, ohne zu antworten.
Bobby schlug mit der Hand so hart gegen die Bahre, daß das Metall schepperte. »Warum zum Teufel hast du es nicht getan?«
Er war wirklich stocksauer. Ich schaute ihn direkt an. »Ich habe geglaubt, Elena sei es gewesen.«
»Oh.« Die Wut wich aus seinem Gesicht. Er ruckte mit dem Kopf nach Furey und McGonnigal. »Jungs, wartet im Auto auf mich.«
Als sie fort waren, sagte er in ruhigem väterlichem Ton: »Okay, Vicki, erzähl mir die ganze Geschichte. Und nicht nur die Teile, von denen du glaubst, daß ich sie sowieso rauskriege. Du weißt, daß Tony dasselbe sagen würde, wenn er hier wäre.«
Und ob ich das wußte. Es war nur so, daß ich zu alt war, etwas zu tun, weil es mein Daddy mir sagte. Ich hatte aber keinen Klienten zu schützen. Es gab keinen Grund, ihm die trostlose kleine Geschichte, die ich über Cerise wußte, nicht zu erzählen. Wenn er nicht darauf bestand, daß ich es in der Umgebung dieser kalten Leichen tat.
Bobby brachte den Aufseher dazu, daß er uns in ein winziges Kabuff führte, in dem die Gerichtsmediziner zwischen dem Zerlegen von Leichen Kaffee, Whisky oder sonstwas tranken. Und ich erzählte ihm alles, was ich über Cerise wußte, Katterina und Zerlina eingeschlossen. »Ich kann die Papiere unterschreiben, wenn du willst. Ihre Mutter hat ein krankes Herz – ich glaube nicht, daß es gut für sie wäre, hierherzukommen.«
Bobby nickte. »Ich kümmere mich darum. Was hast du denn in der Eleventh Street angestellt, das Roland Montgomery so auf die Palme gebracht hat?«
Der Themawechsel war beiläufig und fachmännisch, brachte mich aber nicht aus der Ruhe. »Nichts«, sagte ich ernst. »Ich verstehe es selber nicht.«
»Er ist wutschnaubend zu mir gekommen und hat von mir verlangt, daß ich dich festnehme, wenn du dich irgendwo in der Nähe des Indiana Arms blicken läßt.«
Bobbys Ton war neutral – er kritisierte mich nicht, bot mir nur eine Information an, ließ mich wissen, daß er mich nicht schützen konnte, wenn ich mächtige Leute gegen mich aufbrachte. Gleichzeitig ließ er durchblicken, daß er es versuchen würde, wenn ich ihm einen Insidertip darüber gab, warum das Indiana Arms ein heißes Eisen war. Leider konnte ich ihm nicht helfen. Schließlich wurde er wütend. Es entging ihm, daß ich nicht blockte; ich hatte wirklich und wahrhaftig keine Ahnung. Er denkt jedesmal, ich übernähme Klienten und Fälle nur, um ihm eine Nase zu
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