Brandstifter - Paretsky, S: Brandstifter - Burn Marks
drehen, weil ich einen postpubertären Schub habe. Und er wartet noch immer darauf, daß sich das legt, wie bei seinen sechs Kindern auch.
Es war zwei, als mich Furey, der wie ein Wahnsinniger und wortlos fuhr, vor meiner Wohnung absetzte. Ich unternahm keinen Versuch, versöhnlich zu sein – ich konnte verstehen, daß er sauer war, aber andererseits war es schlicht und einfach ein dummer Zufall gewesen, daß er mich mit Robin gesehen hatte. Es war eine Farce, keine Tragödie – ich hatte nicht vor, so zu tun, als wäre ich Desdemona.
Ich wartete im Hauseingang, bis er mit quietschenden Reifen über die Racine Avenue zur Belmont Avenue gefahren war. Mein Chevy parkte auf der anderen Straßenseite. Ich stieg ein, wendete und fuhr durch die leeren Straßen nach Süden zur Navy Pier.
Der Rapelec-Komplex war ein Monstrum. Er lag natürlich nicht direkt an der Navy Pier – dort sind keinerlei Neubauten genehmigt worden, weil sich die Stadtväter nicht darüber einigen können, wie sie den Schmiergelderkuchen für eine Baugenehmigung untereinander aufteilen sollen. Die Baustelle lag westlich vom Lake Shore Drive, gegenüber der Pier, ein Streifen mit baufälligen Lagerhäusern und Bürogebäuden, der plötzlich zum Paradies der Bauunternehmer geworden war.
Die Baustelle nahm das gesamte Gebiet zwischen Fluß und Illinois Street ein. Die Fundamente waren im Mai letzten Jahres gegossen worden. Die Türme waren jetzt etwa zwanzig Stockwerke hoch, mit der Büro- und Ladenpassage ging es langsamer voran. Auf den Skizzen in den Zeitungen hatte sie ausgesehen wie eine riesige Aula. Man ließ sich Zeit mit dem Bau des Stahlbetonskeletts.
Nackte Glühbirnen oben am Gerüst beleuchteten den Umriß des Stahlskeletts. Mich schauderte. Ich habe nicht eigentlich Höhenangst, aber die Vorstellung, dort oben zu hocken, ohne Wände um mich herum – es war nicht so sehr die Höhe, mehr die Nacktheit der Stahlkonstruktion, die mir angst machte. Schon vom Boden aus wirkte das bedrohlich, schwarze Löcher, wo Fenster hätten sein sollen, und Holzrampen, die nur in unergründliche Tiefe führten.
Mittlerweile hatte ich eine Gänsehaut. Ich mußte gegen den Impuls ankämpfen, zum Chevy zurückzulaufen und nach Hause zu fahren. Konzentrier dich auf den nächsten Schritt, Vic, und schimpf auf die Idiotie, Ausgehklamotten anbehalten zu haben, statt Turnschuhe und Jeans anzuziehen.
Ich ging um die Baustelle herum. Die Blauweißen waren schon lange fort, hatten eine Absperrung am Tatort hinterlassen, aber keinen Wächter. Mindestens ein Dutzend Wege führte auf das dunkle Grundstück. Ich schaute mich nervös um und wählte einen beleuchteten Eingang, wo keine lose lehnenden Stahlträger zu sehen waren, über die ich fallen konnte. Meine Pumps klackten leise auf den Planken.
Die Bretter endeten im zweiten Stock. Ich trat auf einen Zementstreifen. Vor mir und rechts umfingen Schatten den Boden und die Träger, aber links gingen die Lichter weiter. Dort waren als roher Bodenbelag weitere Bretter ausgelegt. Meine Handflächen schwitzten, und meine Zehen prickelten, als ich mich zwang, den Flur entlangzugehen.
Hier waren die unteren Stockwerke schon ummauert, aber die Innenwände fehlten noch. Das einzige Licht kam von den nackten Glühbirnen an den Trägern. Ich konnte schwach die Rückseite des Gebäudes erkennen. Stahlträger reckten Schattenfinger nach oben und stützten das nächsthöhere Stockwerk. Tintenschwarze Kleckse konnten Löcher im Boden oder vielleicht auch nur Werkzeuge sein. Ich dachte an Cerise, die allein hierhergekommen und gestorben war, und meine Nakkenhaut kribbelte unkontrollierbar.
»Hallo!« Ich legte die Hände vor den Mund und brüllte.
Meine Stimme hallte schwach wider, brach sich an den Stahlträgern. Niemand antwortete. Jetzt lief mir Schweiß vom Hals in den Baumwollpullover. Eine schwache Nachtbrise trocknete ihn und brachte mich zum Zittern.
Der grobe Bodenbelag führte plötzlich vor eine Reihe von Sperrholzverschlägen. Die Tür zum ersten auf der rechten Seite stand offen. Ich ging hinein. Hierher drang das Licht vom Flur nur noch schwach. Ich suchte nach einem Lichtschalter, entdeckte schließlich an einem dicken Kabel etwas, was ein Schalter hätte sein können, griff nervös danach, hatte Angst, mir einen Schlag zu holen, aber das Licht ging an.
Zwei große Zeichentische standen an einer Wand. Den anderen drei Wänden entlang zogen sich Gestelle, mit Mappen bepackt, die wie riesige Musterbücher
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