Brandstifter - Paretsky, S: Brandstifter - Burn Marks
auf der Baustelle herumtreibt.«
Wir fuhren in den zweiten Stock. »Für eine Polizistin haben Sie ziemlich seltsame Klamotten an, oder?« sagte er, als wir ausstiegen.
»Ich habe für eine Baustelle seltsame Klamotten an«, korrigierte ich. »Auch Detectives haben ein Privatleben. Der Tod von Cerise Ramsay hat mein Privatleben unterbrochen.« Die Erinnerung daran, wie Bobby den Suchscheinwerfer auf Robin und mich gerichtet hatte, ging mir durch den Kopf. Es kam mir jetzt eher komisch vor. Ich mußte mir das Lachen verbeißen, als Garrison an die Tür von einem der Verschläge klopfte.
Cray war ein vierschrötiger weißer Endfünfziger. Er beäugte mich mißtrauisch, während Garrison knapp den Grund für meinen Besuch schilderte.
»Sie haben nichts gehört, als sie heraufkam?« fragte der Nachtwächter.
»Ich war auf dem Klo«, antwortete Cray kurz. »Haben Sie gekriegt, was Sie hier wollten? Rufen Sie nächstes Mal vorher an.«
Ich lächelte strahlend. »Nächstes Mal mache ich das bestimmt. Wen haben Sie angerufen – Ernie oder Ron? –, nachdem Ihnen Garrison von der Leiche berichtet hatte?«
Crays Stirnrunzeln vertiefte sich. »Spielt das eine Rolle?«
»Irgendwie schon. Wegen einer toten Drogensüchtigen erscheint kein hoher Polizeibeamter am Tatort, und ich will rauskriegen, warum.«
»Warum fragen Sie nicht Ihren Chef?« Seine Stimme behielt den drohenden, unangenehmen Ton bei.
»Lieutenant Mallory? Ich habe ihn gefragt – er hat es mir nicht gesagt. Und, nur der Ordnung halber, er ist nicht mein Chef.«
»Moment mal.« Cray stand auf. »Weisen Sie sich aus.«
Ich zog die Brieftasche hervor und zeigte ihm die kunststoffbeschichtete Miniaturausgabe meiner Detektivlizenz.
»Sie sind nicht von der Polizei? Wir haben das alles mit Ihnen bekakelt, und Sie sind gar keine Polizistin? Hol Sie der Teufel. Ich sollte Sie Arschgeige festnehmen lassen.«
Ich lächelte ihn wieder an. »Ich kann Ihnen Lieutenant Mallorys Privatnummer geben, falls Sie ihn darum bitten wollen. Aber ich habe nie behauptet, daß ich für die Stadt arbeite. Ich habe zu Mr. Garrison gesagt, daß ich Detektivin bin. Er hätte mich gleich nach meinem Ausweis fragen können. Ich kenne Ernie und Ron – ich kann morgen anrufen und herausfinden, wen Sie angerufen haben.«
»Dann tun Sie das. Raus aus meinem Bau. Schnell. Ehe jemand verunglückt und eine Ladung Stahl auf Ihr niedliches Köpfchen fallen läßt.«
Er atmete schwer. Ich sah keinen Grund für so viel Erregung, aber ich hielt es für klug, das Feld zu räumen. Eine Baustelle kann pro Nacht nur eine begrenzte Anzahl von Leichen schlucken.
Als ich wieder im Chevy saß, spürte ich plötzlich, wie eine Welle der Erschöpfung über mich hinwegging. Meine Füße waren wund; sie pochten in den Pumps. Es war wirklich blöd gewesen, die armen Dinger dem unebenen Gelände auszusetzen. Ich schlüpfte heraus und fuhr in den Nylons nach Hause. Das kalte Gaspedal fühlte sich gegen die heiße Sohle gut an.
Im Haus widerstand ich der Versuchung, auf Vinnies Klingel zu drücken. Nicht aus charakterlichem Edelmut – ich wollte schlafen, und ich wußte, daß er sich schrecklich rächen würde, wenn ich ihn jetzt weckte.
Peppy jaulte hinter der Tür von Mr. Contreras, als sie mich vorbeigehen hörte, aber Gott sei Dank bellte sie nicht. Der alte Mann war so taub, daß er ihr Gewinsel verschlief, aber nicht ihr Gebell. Sobald ich die Wohnungstür geschlossen hatte, warf ich die Kleider von mir. Bis ich das Schlafzimmer erreichte, war ich nackt. Ich schlüpfte ins Bett und schlief fast sofort ein.
Ich schlief tief, aber in meinen Träumen spukten Elena und Cerise, die mich kilometerweit um Stahlträger herumjagten. Immer wieder glaubte ich, ich sei entkommen, und dann tat sich plötzlich eine riesige Aufzuggrube vor mir auf. Und wenn ich zurückwich, starrte Cerise mich an, nackt, wie sie im Leichenschauhaus gewesen war, mit zerzausten Zöpfen streckte sie die Arme aus und flehte mich an, sie zu retten. Im Hintergrund hallte Velma Riters Stimme wider, kümmere dich um deine Angelegenheiten, Vic, viele Leute halten dich für eine Nervensäge.
Als mich um zehn das klingelnde Telefon weckte, kam ich benommen zu mir. Ich fummelte am Hörer herum, ehe ich die Sprechmuschel richtig hielt. »Hallo«, murmelte ich mit schwerer Zunge.
»Kann ich bitte Victoria Warshawski sprechen?«
Es war die geschulte Stimme einer tüchtigen Sekretärin. Es gelang mir, ihr den Eindruck zu verschaffen, ich
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