Brandung des Herzens
Warum fällt es mir dann so schwer, mit ihr Geduld zu haben?
Warum fällt es mir so verdammt schwer, zum Teufel noch mal? fragte Caleb sich ungeduldig. Ich kann von Glück reden, wenn ich genügend Disziplin aufbringe, um mich nicht auf sie zu stürzen.
Willow beobachtete Caleb scheu unter langen Wimpern hervor, während er die Vorräte wieder in Rucksäcken verstaute und Sattelgurte und Zaumzeug überprüfte, um sich zu vergewissern, daß der lange Ritt nichts anderes als Fleisch und Knochen strapaziert hatte. Als er mit einem neuen Beutel Getreide auf die Wiese hinausging, schloß Willow sich ihm an.
Ein Pfiff ließ Trey bereitwillig zur Inspektion antraben und Deuce ein wenig mühsam hinterherhinken. Caleb schüttete zwei Häufchen Getreide auf den Boden und begutachtete seine Pferde, während sie hungrig fraßen, überprüfte Hufe und Eisen auf Schäden und sprach die ganze Zeit beruhigend auf sie ein, lobte ihr Durchhaltevermögen und ihre Sanftmütigkeit.
Willow schaute zu, fasziniert von Calebs Kraft und Geschicklichkeit und maskuliner Grazie. Wie präzise und behutsam seine Hände waren! Er war so vorsichtig, daß Deuce noch nicht einmal zusammenzuckte, als seine Wunde inspiziert wurde, obwohl Caleb seine Sache sehr gründlich machte.
»Immer noch sauber«, sagte er ruhig. Er streichelte die muskulöse Schulter des Pferdes, fühlte die rauhen Stellen auf dem Fell, wo Schaum mehr als einmal hinabgetropft und wieder getrocknet war. »Ich würde dich ja striegeln, mein Junge, aber ich habe den Verdacht, du möchtest lieber für ein oder zwei Tage in Ruhe gelassen werden. Ich nehm’s dir auch nicht übel. Ganz bestimmt nicht. War ein höllischer Treck.«
Eine der Stuten witterte das Aroma von Getreide und trabte über die Wiese heran. Sie wieherte sanft zur Begrüßung. Caleb lächelte und zupfte spielerisch an ihren seidigen Stirnfransen.
»Hallo, Penny. Geht’s dir jetzt besser, nachdem du ordentlich gefressen hast?« fragte er.
Penny stupste den Getreidesack mit ihrem Maul an.
Willow lachte. »Hör auf, sie zu quälen. Sie weiß, was sie erwartet.«
Caleb warf Willow einen Blick von der Seite zu und lächelte spitzbübisch.
»Das Warten macht es. nur noch besser, hast du das nicht gewußt?«
Willow hielt klugerweise den Mund, konnte jedoch nichts gegen die verlegene Röte tun, die in ihre Wangen schoß. Sie erschauerte unwillkürlich, als sie sich die Leidenschaft ins Gedächtnis zurückrief, die sie am Morgen gekostet hatte.
Ishmael galoppierte quer über die Wiese auf sie zu. Seine Ohren waren aufgerichtet, sein Schritt federnd und gleichmäßig. sein Körper geschmeidig.
»Er sieht gut aus«, meinte Caleb.
»Er atmet ein bißchen mühsam.«
»Das liegt an der Höhe. In ein oder zwei Wochen wird er sich wieder ganz erholt haben.«
»Der lange Weg, der noch vor uns liegt, macht mir Sorgen«, gestand Willow seufzend und rieb ihre Schläfen.
Caleb schüttete weitere Häufchen Körner auf den Boden, als nach und nach alle Araber herankamen, angelockt von dem reichen Aroma.
»Wir werden es langsam angehen und unsere Kräfte schonen, bis du an die Höhe gewöhnt bist«, versicherte er ihr.
»Nur zwölf Stunden am Tag unterwegs statt achtzehn?« murmelte Willow leise vor sich hin.
Aber Caleb hatte es gehört. Sein Gehör war so scharf wie das eines Rehs. Er schaute auf und sah, wie Willow mit geschlossenen Augen dastand und sich die Schläfen rieb. Er schüttete den Pferden noch ein paar Getreidekörper hin, band den Sack mit einem Lederriemen zu und stellte ihn beiseite, bevor er zu Willow ging.
»Kopfschmerzen?« fragte er leise.
Sie senkte fast schuldbewußt den Kopf. »Nur noch ein bißchen. Gestern auf dem Paß waren sie schlimmer.«
»Hier. Laß mich mal.«
Ganz gleich, welche Einwände Willow auch gehabt haben mochte, sie schwanden unter Calebs langsamen, kreisenden Daumenbewegungen auf ihren Schläfen.
»Entspann dich, wenn du kannst«, sagte er. »Je verkrampfter deine Muskeln sind, desto mehr schmerzt es.«
Willow gab einen kleinen Laut von sich, der mehr ein Ausdruck des Wohlbehagens war als ein Wort, als Caleb seine Finger über ihren Kopf gleiten ließ und ihre Kopfhaut massierte. Starke, behutsame, geschickte Hände rieben Schmerz fort, bis Willow erleichtert aufseufzte. Mit einer sanften Bewegung seiner Fingerspitzen zog er Willow näher zu sich heran, bis sie sich an ihn lehnte. Ihre Stirn glitt tiefer und tiefer und schmiegte sich schließlich an seine Brust.
Zu spät
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