Brandzeichen
Stirn an.
»Andere Gattungen? Was meinst du damit?«
»Nun, siehst du, er isolierte diese genetischen Intelligenzdeterminanten in den Gencodes von Gattungen, die intelligenter waren als der Retriever.«
»Affen zum Beispiel? Die sind doch intelligenter als Hunde, oder nicht?«
»Ja. Affen ... und Menschen.«
»Du lieber Gott!« sagte Walt. Lem drehte eine Düse im Armaturenbrett so, daß der lauwarme Luftstrom sein Gesicht traf.
»Weatherby hat das fremde genetische Material in den Gencode des Retriever eingebracht und gleichzeitig jene Gene, die seine Intelligenz auf die des Hundes beschränkten, eliminiert.« Jetzt reichte es Walt.
»Das ist doch nicht möglich! Dieses genetische Material; wie du es nennst, kann doch ganz sicherlich nicht von einer Spezies zur anderen weitergegeben werden.«
»In der Natur geschieht das die ganze Zeit«, sagte Lern.
»Genetisches Material wird von einer Gattung auf die andere übertragen, und der Träger ist gewöhnlich ein Virus. Sagen wir einmal, ein Virus würde in Rhesusaffen gedeihen. Solange er sich in dem Affen befindet, nimmt er genetisches Material aus den Zellen des Affen auf. Diese aufgenommenen Affengene werden ein Teil des Virus selbst. Später, nachdem dieser Virus einen menschlichen Wirt infiziert hat, besitzt er die Fähigkeit, das genetische Material des Affen in seinem menschlichen Wirt zu hinterlassen. Denke beispielsweise einmal an den AIDS-Virus. Man nimmt an, daß AIDS über Jahrzehnte ein Krankheitskeim war, dessen Träger gewisse Affen und menschliche Wesen waren, obwohl keine der beiden Gattungen für die Krankheit selbst anfällig war; ich meine, wir waren einzig und allein Träger - wir wurden von dem, was wir trugen, nie krank. Aber dann passierte irgendwie etwas an den Affen, eine negative genetische Veränderung, die sie nicht bloß zu Trägern, sondern zu Opfern des AIDS-Virus machte. Affen fingen an, an der Krankheit zu sterben. Als dann der Virus auf die Menschen überging, brachte er dieses neue genetische Material mit, das die Anfälligkeit für AIDS spezifizierte, und von diesem Augenblick an dauerte es nicht mehr lange, bis sich auch Menschen die Krankheit zuziehen konnten. So funktioniert das in der Natur. Und im Labor geschieht es noch sehr viel effizienter.«
Der Beschlag auf den Seitenfenstern wurde immer dichter. Walt sagte:
»Also ist es Weatherby wirklich gelungen, einen Hund mit menschlicher Intelligenz zu züchten?«
»Das war ein langer, äußerst langwieriger Prozeß, aber im Laufe der Zeit machte er Fortschritte. Und vor etwas mehr als einem Jahr kam die Wunderwelpe zur Welt.«
»Und die denkt wie ein menschliches Wesen?«
»Nicht wie ein menschliches Wesen, aber vielleicht ebensogut wie.«
»Und sieht doch wie ein gewöhnlicher Hund aus?«
»Das ist es, was das Pentagon haben wollte. Und was Weatherbys Aufgabe vermutlich erschwerte. Anscheinend hat die Größe des Gehirns zumindest ein wenig mit der Intelligenz zu tun, und Weatherby hätte seinen Durchbruch vielleicht viel eher geschafft, hätte er einen Retriever mit einem größeren Gehirn entwickeln können. Aber ein größeres Gehirn hätte einen neu konfigurierten, viel größeren Schädel bedeutet, also hätte der Hund verdammt ungewöhnlich ausgesehen.«
Alle Fenster waren jetzt beschlagen. Weder Walt noch Lern versuchten den Beschlag wegzuwischen. Unfähig, aus dem Wagen hinauszusehen, auf dessen feuchtes, beengendes Innere beschränkt, schienen sie von der wirklichen Welt abgeschlossen, in Raum und Zeit dahinzutreiben -ein Zustand, der dem Nachdenken über die wundersamen und empörenden Schöpfungsakte, die die Gentechnologie möglich machte, seltsam förderlich war. Walt sagte:
»Das Pentagon wollte einen Hund, der wie ein Hund aussah, aber wie ein Mensch denken konnte? Warum ? «
»Stell dir bloß einmal die Spionagemöglichkeiten vor«, sagte Lem.
»In Kriegszeiten würde es Hunden nicht schwerfallen, tief in feindliches Territorium einzudringen und Anlagen und Truppenstärken auszukundschaften. Intelligente Hunde, mit denen wir uns irgendwie verständigen könnten, würden zurückkehren und uns berichten, was sie gesehen und gehört haben.«
»Uns berichten? Willst du sagen, daß man Hunde zum Reden bringen kann, wie im Märchen? Jetzt reicht's aber. Lem!« Lem konnte seinem Freund durchaus nachfühlen, daß es ihm Schwierigkeiten bereitete, diese erstaunlichen Möglichkeiten geistig nachzuvollziehen. Die moderne Wissenschaft schritt so rasch
Weitere Kostenlose Bücher