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Brandzeichen

Brandzeichen

Titel: Brandzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Bleistiftzeichnung ausgebildet. Zeichnen und Malen waren ebenfalls Aktivitäten, die Tante Violet billigte, Kunst war etwas, das Nora allein für sich betreiben konnte, und das ihre Gedanken von der Welt draußen ablenkte und ihr half, den Kontakt zu Menschen zu vermeiden, die sie unweigerlich zurückstoßen, verletzen und enttäuschen würden. In die eine Ecke von Noras Zimmer waren ein Zeichenbrett, eine Staffelei und ein Schränkchen für die nötigen Utensilien gestellt worden. Den Platz für ihr Miniaturatelier hatte sie sich geschaffen, indem sie die anderen Möbelstücke zusammenschob, und nicht etwa dadurch, daß sie irgend etwas entfernte. Die Folge war ein Gefühl der Beengtheit gewesen. Oftmals im Laufe der Jahre, besonders nachts, aber auch mitten am Tag, war Nora von dem Gefühl befallen worden, der Schlafzimmerboden bräche unter dem Gewicht all der Möbel ein, und sie stürze in den Raum darunter, wo ihr schweres Himmelbett sie erdrücken werde, Wenn diese Furcht übermächtig wurde, floh sie auf den Rasen hinter dem Haus, wo sie dann im Freien saß, die Arme fest um den Körper gelegt, zitternd. Erst mit fünfundzwanzig wurde ihr klar, daß diese Anfälle von Angst nicht nur von zuviel Möbeln und zu düsterem Dekor herrührten, sondern auch von der erdrückenden Gegenwart ihrer Tante. Eines Samstagmorgens vor vier Monaten, acht Monate nach Violet Devons Tod, hatte Nora plötzlich den Drang verspürt, etwas zu verändern, und sie hatte in fast hektischer Hast in ihrem Schlafzimmer-Atelier umgestellt. Sie trug und zerrte alle kleineren Möbelstücke hinaus und verteilte sie gleichmäßig auf die fünf anderen möblierten Räume des Obergeschosses. Einige der schwereren Stücke mußten zerlegt und in Teilen weggebracht werden. Aber schließlich schaffte sie es, alles hinauszubefördern, ausgenommen das mächtige Himmelbett, ein Nachttischchen, einen Lehnsessel, ihr Zeichenbrett, den Hokker, das Schränkchen und die Staffelei, genau die Dinge, die sie brauchte. Zuletzt riß sie noch die Tapete von der Wand . Während jenes überwältigenden Wochenendes hatte sie das Gefühl, es hätte eine Revolution gegeben und ihr Leben würde nie wieder werden wie früher. Aber sobald sie mit ihrem Schlafzimmer fertig war, hatte sich auch der Geist des Aufruhrs verflüchtigt, und der Rest des Hauses blieb unangetastet. Jetzt war wenigstens dieser eine Raum hell, ja fröhlich. Die Wände waren in einem ganz hellen Gelb getüncht; die schweren Vorhänge waren weg, an ihrer Stelle hatte sie Läden angebracht, die zur Farbe der Wände paßten. Den häßlichen Teppich hatte sie aufgerollt und den wunderschönen Eichenboden auf Hochglanz poliert. Hier war jetzt mehr denn je ihr Zufluchtsort. Wenn sie durch die Tür trat und sah, was sie geschaffen hatte, stie g unweigerlich ihre Laune, und sie fand etwas Ruhe vor ihren Problemen. Nach dem schrecklichen Erlebnis mit Streck wirkte das helle Zimmer wie immer beruhigend auf Nora. Sie setzte sich ans Zeichenbrett und fing eine Bleistiftskizze an, Vorstudie für ein Ölgemälde, das sie schon seit einiger Zeit zu malen vorhatte. Zuerst zitterten ihr die Hände, und sie mußte mehrere Male innehalten, um genügend Kontrolle über sich zu gewinnen und weiterzeichnen zu können. Aber mit der Zeit legte sich ihre Angst. Sie konnte bei der Arbeit sogar an Streck denken und sich auszumalen versuchen, wie weit er wohl gegangen wäre, wenn sie es nicht geschafft hätte, ihn aus dem Haus zu manövrieren. In letzter Zeit hatte Nora sich gefragt, ob Violet Devons pessimistische Betrachtungsweise hinsichtlich der Welt und aller anderen Menschen richtig war; obwohl das der Einstellung entsprach, die man ihr, Nora, beigebracht hatte, quälte sie der Verdacht, dies sei vielleicht verdreht, ja krankhaft. Nun aber war sie Art Streck begegnet, und dieser schien ein hinreichendes Argument für Violets Ansichten zu sein, ein Beweis dafür, daß es gefährlich war, sich zu sehr mit der Welt draußen einzulassen. Nach einer Weile, ihre Skizze war zur Hälfte fertig, begann Nora zu denken, sie habe möglicherweise alles, was Streck gesagt und getan hatte, falsch interpretiert. Er hatte ihr bestimmt keinen unsittlichen Antrag machen wollen. Ihr doch nicht, Sie war schließlich alles andere als begehrenswert. Schlicht. Hausbacken, Vielleicht sogar häßlich, Nora wußte, dies war so, denn ganz gleich, was Violet für Fehler gehabt haben mochte, die alte Frau hatte auch einige Tugenden besessen, und eine

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