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Brandzeichen

Brandzeichen

Titel: Brandzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Bei jeder neuen Leinwand wuchs Travis' Erregung. Und sein Entzücken und seine Begeisterung waren echt. Ursprünglich dachte sie, er tue das nur, um ihr gefällig zu sein, aber bald durfte sie sicher sein, daß er ihr nichts vormachte. Indem er von einem Bild zum nächsten und wieder zurück wanderte, sagte er:
    »Ihr Farbgefühl ist exzellent.« Einstein begleitete Travis durch den Raum, setzte hinter jede Aussage seines Herrchens ein leises Wuff und wedelte heftig mit dem Schweif, als wolle er damit seine Bestätigung des Urteils zum Ausdruck bringen.
    »Da ist soviel Stimmung drin«, sagte Travis.
    »Wuff.«
    »Und es ist erstaunlich, wie Sie Ihr Medium beherrschen. Ich habe nicht das Gefühl, Tausende von Pinselstrichen zu sehen. Statt dessen scheint es, als wäre das Bild wie durch Zauberei auf der Leinwand erschienen.«
    »Wuff.«
    »Schwer zu glauben, daß Sie keine schulmäßige Ausbildung haben.«
    »Wuff.«
    »Nora, diese Bilder sind mit Sicherheit gut genug, um verkauft zu werden. Jede Galerie würde sie sofort nehmen.«
    »Wuff.«
    »Sie könnten davon nicht nur leben ... ich glaube, damit könnten Sie sogar verdammt berühmt werden.« Weil Nora sich nie einzugestehen wagte, daß sie ihre Arbeit ernst nahm, hatte sie häufig, unter mehrmaliger Verwendung derselben Leinwand, ihre Bilder übermalt. Demzufolge waren viele ihrer Werke für immer dahin. Aber auf dem Dachboden hatte sie mehr als achtzig ihrer besten Arbeiten aufbewahrt. Und weil Travis jetzt darauf bestand, holten sie mehr als ein Dutzend dieser eingepackten Leinwände herunter, rissen das braune Papier auf und legten sie im Wohnzimmer aus. Soweit Nora sich erinnern konnte, war es zum ersten Mal, daß der düstere Raum hell und freundlich wirkte.
    »Jede Galerie würde entzückt sein, damit eine Ausstellung zu veranstalten«, sagte Travis.
    »Lassen Sie uns doch morgen einige davon in den Wagen laden, zu ein paar Galerien bringen und hören, was die sagen.«
    »O nein, nein!«
    »Ich verspreche Ihnen, Nora, Sie werden nicht enttäuscht sein.
    Plötzlich spürte sie die Klauen der Angst. Obwohl die Aussicht auf eine künstlerische Karriere erregend war, hatte sie doch Angst vor dem großen Schritt. Ein Schritt vom Klippenrand ins Nichts.
    »Nicht jetzt«, sagte sie.
    »In einer Woche ... oder einem Monat... laden wir sie in Ihren Wagen und bringen sie in eine Galerie. Aber noch nicht jetzt, Travis. Ich kann einfach nicht... ich werde noch nicht damit fertig.« Er grinste sie an.
    »Wieder eine Überladung der Sinne?« Einstein trat zu ihr, rieb sich an ihrem Bein und blickte so freundlich zu ihr auf, daß Nora unwillkürlich lächeln mußte. Sie kraulte den Hund hinter den Ohren und sagte:
    »So vieles hat sich so schnell ereignet. Ich kann das nicht alles verarbeiten. Ich habe immer wieder gegen Schwindelanfälle anzukämpfen. Mir ist, als säße ich auf einem Karussell, das sich schneller und schneller dreht und nicht mehr zu bremsen ist.« Was sie sagte, stimmte bis zu einem gewissen Grad. Doch es war nicht der einzige Grund, weshalb sie hinauszögern wollte, mit ihrer Kunst an die Öffentlichkeit zu treten. Sie wollte Zeit haben, diese herrliche Entwicklung auszukosten. Wenn sie die Verwandlung von der einsiedlerischen Jungfer zur ausgewachsenen Teilnehmerin am Leben zu rasch ablaufen ließ, würde später alles einfach ineinander verschwimmen. Sie wollte jeden Augenblick ihrer Metamorphose genießen. Nora Devon trat vorsichtig in eine neue Welt hinaus, als hätte sie von Geburt an schwer leidend in einem finsteren Zimmer verbringen müssen, angeschlossen an lebenserhaltende Maschinen, und wäre eben erst auf wundersame Weise geheilt worden. Travis war für Noras Hervortreten aus dem Eremitendasein nicht allein verantwortlich. Eine gleichermaßen wichtige Rolle in dieser Verwandlung spielte Einstein.
    Der Retriever hatte offensichtlich die Entscheidung getroffen, man dürfe Nora das Geheimnis seiner außergewöhnlichen Intelligenz anvertrauen. Nach der Episode mit der Zeitschrift >Die moderne Braut< und dem Baby in Solvang erlaubte ihr der Hund nach und nach weitere Einblicke in seinen ganz und gar nicht hundegemäßen Verstand.
    Und Travis folgte Einsteins Beispiel und erzählte Nora, wie er den Retriever im Wald fand und wie etwas Fremdartiges das er nie zu Gesicht bekam -ihn verfolgte. Er berichtete von all den erstaunlichen Dingen, die der Hund seitdem getan hatte; auch von Einsteins gelegentlichen Anfällen von Angst mitten in der

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