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Brann 01 - Seelentrinkerin

Brann 01 - Seelentrinkerin

Titel: Brann 01 - Seelentrinkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Rücken, betastete die Backstagen, spürte das Schwingen in ihnen, befühlte das Holz der Meermaid, fühlte darin das Leben, er liebte sie für ihre Schönheit und ihr wackeres Herz, er fürchtete um sie, verfluchte die djelaanischen Piraten, sämtliche Wetterkundigen und auch die Temueng, die lieber ihren Eroberungen nachgingen, anstatt die eigenen Küsten frei von Seeräubern zu halten. Eine Zeitlang sah er noch den Delphinen zu, die sich in der Bugwelle tummelten, dann begab er sich unter Deck, um zu schauen, wie Branns Befinden war, und um mit ihr über Jimms Enthüllungen zu sprechen.
    »Wann werden wir in djelaanische Gewässer gelangen?« erkundigte sich Brann.
    »In vier Tagen«, antwortete Sammang.
    »Zu weit entfernt«, entgegnete Brann. »Ich möchte die Kräfte der Kinder nicht vergeblich verschleißen.«
    »Du hast nicht den Fernblick?« fragte Sammang.
    »Die Temueng nennen mich Hexe«, sagte Brann. »Das ist ihr Irrtum. Du solltest nicht den gleichen Irrtum begehen.
    Ich verfüge über gewisse Fähigkeiten, doch wirken sie nur in körperlicher Nähe.«
    »Dann sollten wir in zwei Tagen nach Süden drehen und die djelaanischen Koralleninseln in weitem Bogen umschiffen.«
    »Wie viele Tage brauchten wir dann zusätzlich?«
    »Vier, wahrscheinlich fünf.«
    »Zu lang«, meinte Brann. »Bis dahin wäre ich ein Schatten meiner selbst, und die Kinder litten Hunger.«
    »Dann müssen wir uns beim Segeln auf Glück und Hoffnung verlassen«, sagte Sammang. »Und kämpfen, wenn's sein muß.«
    »Andere Möglichkeiten gibt's nicht?«
    »Nein.«
    Die beiden folgenden Tage verstrichen sonnig und klar, böige Winde trieben das Schiff übers glitzernde Blau, als wäre es eingefettet. Sammang beobachtete Brann, wie sie auf dem Schiff umherschlenderte, dabei sorgfältig darauf achtete, jedem aus der Quere zu bleiben, der irgendeine Arbeit verrichtete. Sie hatte Achtung vor handwerklichem Geschick und hegte Interesse an der Tätigkeit der Seeleute. Beides merkte man ihr an. Die Mannschaft bemerkte es, fühlte sich geschmeichelt, brachte ihr ihrerseits Anteilnahme entgegen; die Kinder begünstigten diese Entwicklung, indem sie unter Deck blieben, wo ihre Sonderbarkeit die Männer nicht an Leichen in dunklen Gassen, an Leichname in der Bucht erinnerte. Ein, zwei Stunden lang mißtraute der junge Spantenratt ihr, erlag jedoch ihrem Reiz, nachdem sie sich für eine Weile, während er auf seiner Flöte spielte, um die Plackerei zu versüßen, in seinem Umkreis gehalten hatte; die Stunde danach brachte er damit zu, sie Seefahrerlieder zu lehren. Als nächsten nahm sie Leymas für sich ein. Er zeigte ihr ein paar Knoten, ließ sie dann Taukränze machen; es erwies sich, daß sie flinke Finger hatte, das Arbeiten mit den Händen gewohnt war, und sie freute sich, als er ihre Mühe lobte. Fortgesetzt behielt Sammang sie im Augenmerk, wann immer er dazu die Gelegenheit hatte, ihn belustigte die Unbefangenheit ihres Umgangs mit den rauhen Kerlen, man hätte meinen können, sie wären allesamt ihre älteren Brüder oder Vettern, und es hatte den Anschein, als könnte sie sie mittels bloßen Willens so beeinflussen, daß sie ihren reifen weiblichen Leib übersahen, als erstickte sie allein durch Willenskraft jede Andeutung von Geschlechtlichem im Keim. Einer nach dem anderen verfiel Sammangs Mannschaft ihrem Liebreiz, die Seemänner begannen sie zu behandeln wie eine kleine Schwester, die sie gern mochten, eine Zuneigung, die sich am zweiten und dritten Tag noch steigerte. Von da an konnte Sammang das Deck nicht mehr betreten, ohne sie mit einem der Seeleute zusammensitzen, mit kräftigen, geschickten Händen Knoten knüpfen zu sehen, während sie mit zur Seite gelegtem Kopf — teils ungläubig, teils vergnügt — der außergewöhnlichen Geschichte lauschte, die er ihr erzählte. Sogar der Haarige Jimm schwatzte ihr die eine oder andere Mär auf, ließ sie einmal das Steuerrad übernehmen, so daß sie die Lebendigkeit des Schiffs selbst zu spüren vermochte, erklärte ihr dabei, wie man die Schwarze Dame deutete, das einer Nadel ähnliche Pendel aus Erzgestein, daraus sowie aus dem Geruch des Winds und dem Aussehen der See schlußfolgerte, wie man das Schiff auf dem richtigen Kurs halten mußte.
    Branns Auftreten hatte sich reichlich plötzlich gelockert, sie hatte ihre Wachsamkeit und ihre Vordergründigkeit vollständig aufgegeben, war wieder das Kind jener freundlichen Umgebung, in der sie einst heranwuchs, und Sammang sah in

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