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Brann 01 - Seelentrinkerin

Brann 01 - Seelentrinkerin

Titel: Brann 01 - Seelentrinkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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ihr ein weibliches Spiegelbild des einfältigen, leichtgläubigen Buben, der er gewesen war, als er damals die Enge seiner Heimatinsel verspürt und sich schließlich an Bord eines der Handelsschiffe schlich, die Perando im Pandaysarradup anliefen. Er hatte volles Vertrauen zu seinen Fähigkeiten gehabt, voller Eifer darauf gewartet, die große weite Welt ringsherum kennenzulernen, nie hatte er irgendwem mit Absicht oder aus Bosheit ein Leid zugefügt, niemals geschenktes Vertrauen enttäuscht, immer war er friedlich wie ein Welpe gewesen. Es hatte viel auf ihm herumgetrampelt werden, oft hatte er hintergangen werden müssen, ehe er seine Vertrauensseligkeit abstreifte. Er erkannte die gleiche Art von Arglosigkeit in Brann, es bewog ihn zum Seufzen, wenn er daran dachte, welche schmerzlichen Erlebnisse ihr bevorstanden, aber er wußte, er konnte sie davor nicht bewahren — und wäre er dazu imstande gewesen, hätte er es nicht getan. Um zu überleben, mußte sie Erfahrungen sammeln. Nicht einmal die Temueng hatten sie lehren können, vor anderen Leuten auf der Hut zu sein; hier an Bord, umgeben von Männern, die sich nicht bedrohlich aufführten, die ihr ihre Freundlichkeit mit Gutwilligkeit und Freundschaftlichkeit dankten, hatte sie umgehend jede Zurückhaltung verworfen. Damit legte sie sich eine schlechte Gewohnheit zu. Trotzdem mochte er es nicht glattweg als Torheit abzutun, sie hatte damit bei seiner Mannschaft einen vollen Erfolg zu verzeichnen. Und genauso — das mußte er sich eingestehen — bei ihm.
    Der fünfte Tag der Fahrt mündete ohne Umstände in den sechsten; noch ließ sich kein Djelaaner blicken, doch bei Sonnenaufgang zeigten sich im Norden und Westen der Meermaid tiefe düstere Wolkenbänder. Die südlichsten Inselchen einer verstreuten Gruppe von Koralleninseln kamen in Sicht, in der Mehrzahl ohne Wasser und mit wenig fruchtbarer Erde, nur dazu brauchbar, Piratenpraue zu verbergen, während die Djelaan auf Schiffe lauerten, die sich vorüberwagten. Finster spähte Sammang hinüber. Gab es dort nichts außer Vögeln und vielleicht ein paar Nagern, oder lagen ein Dutzend Praue auf den bröckeligen Strand gezogen, hielt sich ein Wetterkundiger bereit für seine
    Beschwörungen?
    Brann kam zum Bug und gesellte sich zu Sammang. »Ist das Selt?«
    »Nein.«
    »Ich dachte mir schon, daß es noch etwas zu früh ist. Djelaan?«
    »Wenn sie uns überfallen, dann von dort aus.«
    Brann kaute auf der Unterlippe. »Ich vermag Entfernungen auf dem Meer nicht richtig zu schätzen.«
    »Um die Mitte des Nachmittags werden wir mit den Inseln auf gleicher Höhe sein, ungefähr eine halbe Tagesfahrt südlich von ihnen.«
    »Und du wüßtest gern, ob wir Ruhe bewahren oder uns auf ein Gefecht vorbereiten müssen.«
    »Stimmt genau.«
    »Und die Überfahrt liegt etwas mehr als zur Hälfte hinter uns?«
    »Wenn der Wind weiter so weht und die Piraten uns vom Hals bleiben, müßten wir in fünf Tagen bei Sonnenuntergang in Silili einlaufen.«
    »Mmm. Die Kinder faulenzen, sie haben beileibe nicht so viel Kräfte verbraucht wie sonst.« Brann schaute sich zur Mannschaft um, dann rückte sie die Schultern gerade, streckte das Rückgrat. »Jaril wird die Inseln überfliegen, und Yaril wird uns mitteilen, was er sieht. Es dürfte klüger sein, Jimm und die anderen vorzuwarnen, man kriegt irgendwie 'nen Schreck, wenn man zum erstenmal mitansieht, wie sich eins der Kinder verwandelt.«
    Sammang war sich nicht sicher, was geschehen werde, vermutete jedoch etwas Beachtenswertes, das ihn und seine Mannschaft nachdrücklich daran erinnern mußte, daß Brann keineswegs die kleine Schwester der ganzen Welt war. Er tätschelte ihr die Hand. »Sie werden nicht in Ohnmacht sinken, Brombeer.«
    Brann schaute verdutzt zu ihm auf, dann lächelte sie halb und schüttelte den Kopf. »Na schön ... Also hole ich sie rauf.« Sie verließ seine Seite und strebte in lebhaft betonter Selbstsicherheit das Deck entlang.
    Sammang kehrte zurück zum Haarigen Jimm, der für einige Zeit das Steuer übernommen hatte, weil er die Meermaid fast so sehr liebte wie Sammang und es ihm behagte, sie unter den Händen zu spüren. »Unsere Hexe macht sich daran, uns grausig zu erschrecken.«
    »Hr-hr-hr.« Jimm nahm eine Hand vom Steuerrad, kratzte sich im Bart. »Was denn, sie ist unsere Hexe, Sammang.« Er brüllte nach Staro. »He-e-e, Stummel! Auf die Beine!«
    Der eingenickte Steuermann fuhr auf, erhob sich, blickte schläfrig um sich. »Hä?«

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