Brann 02 - Blaue Magie
einmal beladen. Unvermindert wütend kehrte sie anschließend an die Stelle zurück, wo sie vorher gestanden hatte. »Diesmal werde ich die Annulierung deiner Diplome beantragen, ich schwör's, Blauer Danni, du mieser Druuj, ich werd's tun, das ist das letzte Mal, daß du mich oder sonstwen versetzt hast.«
»Der Blaue kömmt, der Blaue jeht«, nuschelte der Mann. »So hatters immer jemacht, so wird's bleim.«
»Ha! Na schön, Maus, wenn du so zufrieden mit ihm bist, dann hilf doch du Sandy beim Verladen.«
»Isch hab' nix zu duhn mit Kisten.«
Die Frau starrte ihn erbittert an, verkniff sich jedoch die Äußerung, die ihr auf der Zunge lag, stapfte davon und verbrachte den Rest der Zeit, während derer Maksim das Geschehen beobachtete, mit dem Überwachen der Gefährte, die vorüberfuhren, lief wiederholt zu den Ladearbeitern, um sie bei ihrer Tätigkeit zu unterbrechen, ihr Tun zu berichtigen.
Maksim schlug die Augen auf, leckte sich mit der Zunge über die Lippen; für eine Weile ruhte er entspannt im Kippstuhl, atmete langsam und regelmäßig; schließlich leckte er sich nochmals die Lippen und brachte ein Lächeln zustande. »Blauer Danni. Ein Gegenstück zu dir, Blauaugen-Dan? Das wird ja alles immer seltsamer und seltsamer.« Mit langen, spitzen Fingern strich er über den Stab, er kannte jedes Knötchen, jede Mulde, jede Kerbe im Holz, die altgewohnte Vertrautheit damit spendete ihm Trost. »Falls das eine Schiffsherrin war, würde ich meinen, der andere Danni war ihr Lademeister, und sie hat sich erregt, weil er abgehauen ist und seine Arbeit ihr überlassen hat. Anscheinend hat er daraus eine Gewohnheit gemacht, einfach seine Pflichten zu mißachten und seines Weges zu ziehen, wann's ihm gefällt. Eine Stütze aus Brei, sobald man einer Stütze bedarf. Warum er? Wer könnte so blöde sein, ausgerechnet diesen Mann herzuholen? Bei den Vierzig Weltlichen Höllen, welchen Nutzen hat ein völlig unzuverlässiger Lademeister für die Seelentrinkeriri? Wer ist alles an diesem hirnverbrannten Ränkespiel beteiligt?« Ein flüchtiges Halblächeln der Unzufriedenheit verzog seinen Mund, dann setzte er sich auf, verstellte die Rücklehne des Kippstuhls in die Senkrechte, so daß sie seinen Rücken und den Kopf stützte und seine Füße fest auf dem Fußbrett standen. Er fühlte sich müder, als er erwartet hatte, und das bereitete ihm Sorge. Morgen findet die Auslosung statt, dachte er, um so besser, ich hätte sie lieber schon hinter mir. Sein Magen krampfte sich zusammen, aber er unterdrückte seinen Kummer. Kinder sterben, es sterben immer Kinder, zu Hunderten sind sie gestorben, während die Parastes und ihr königlicher Handlanger Cheonea beherrschten, sie starben an Schmutz und Überarbeitung, in den Freudenhäusern und unter den Peitschen der feinen Herren. Was zählt der Tod eines Kindes im Vergleich zu dem Leben der vielen Hundert Kinder, die ich gesünder und glücklicher gemacht habe? Das war eine alte Überlegung, die er nicht zum erstenmal anstellte, und er hegte die feste Überzeugung, daß sie richtig war, aber jedesmal, wenn er das Kind, das zu seinem Pech das Goldene Los zog, zur Totenfeuer-Insel mitnahm — ein Kind, das noch seinen Eltern nachtrauerte, die es verlassen mußte, sich jedoch gleichzeitig aufgeregt auf die Wunder des großen Yron in der Heiligen Stadt Havi Kudush tief im Innern Phras' freute, die es angeblich zu sehen bekommen sollte — und die Lebenskraft dieses Kindes dem BinYAHtii zuführte, dann fiel es ihm schwer, bei seiner rein vernunftmäßigen Bewertung zu bleiben.
Maksim schaute hinüber zum Wandschrank, erwog das Trinken einer zweiten Dosis seines Stärkungsmittels, doch er mochte das Pentakel nicht verlassen, er müßte danach zusätzlich Kraft dafür aufwenden, um es erneut in Betrieb zu nehmen. Bedächtig legte er seine Hand um den BinYAHtii und ließ sich frische Kräfte zufließen; der Talisman war ein widerspenstiges Ding, alles andere als leicht in der Gewalt zu behalten, doch die dazu erforderliche Verfahrensweise war Maksim längst in Fleisch und Blut übergegangen, er bändigte die kurzen Widerstände so schnell und wirksam, mit so gewohnheitsmäßiger Beiläufigkeit, daß er selbst kaum merkte, was er tat. Sobald er sich gestärkt hatte, glättete er nochmals sein Haar, schüttelte sein Leinengewand und den weichen, schwarzen Überwurf glatt, klaubte den BinYAHtii aus dem Ausschnitt des Gewands, legte ihn, so daß er gerade hing, flach ans schneeweiße
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