Brann 02 - Blaue Magie
Leinen. Er drehte den Stab, hielt ihn lotrecht neben sich und stimmte einen magischen Gesang an, ließ die tiefsten Töne aus seinem Brustkorb dröhnen; sein Singen erfüllte die Räumlichkeit mit Echos und Hall.
»Io io dosynos eyo io io stygeras moiro io io ti tilymon phato io io lelatas emo.« Als die Laute verklangen, vollführte er mit dem Stab und der freien Hand Gebärden, die sowohl etwas Sinnliches an sich hatten als auch etwas Schlüpfriges (diese Eigentümlichkeit war einer der Gründe, warum er den größten Teil seiner hauptsächlichen magischen Betätigungen im verborgenen verübte, ein Zauberer war beim Zaubern in vielerlei Hinsicht auf das angewiesen, was ihm unbewußte Bereiche seiner Seele zur Verfügung stellten, und gewaltige magische Werke erforderten starke Reize, ganz gleichgültig, als wie unanständig oder lächerlich sie ein etwaiger Zuschauer empfinden könnte). »Pareithee, oy yo Rosaper Rospall. Pareith.ee entha da rospa.«
Er stieß das untere Ende des Stabs dreimal auf den Stein, das Pochen klang nach dem überlauten Dröhnen und Hallen seiner dunklen Stimme nachgerade leise. In dem kleineren leuchtenden Pentakel entstand eine Dunstsäule.
Der Dunst verdichtete sich, verfestigte sich zu einem Geschöpf, das aussah wie eine Anhäufung von Irrtümern der Natur. Es hatte einen Hahnenkamm, irre Gockelaugen, spitze goldgelbe Federn, ein schwarzes Schafsgesicht, wo bei einem richtigen Vogel der Schnabel gesessen hätte, einen schmalen, schlangenartigen Oberkörper mit entsprechenden Schultern, spindeldürre Arme mit Echsenpfoten und Schuppenhaut, hingegen breite, gewölbte Hüften, männliche Geschlechtsteile in einem durchhängenden Hautsack sowie nach hinten geknickte Knie, doch trotz der scheinbaren Verkehrtheit wirkten die Beine unerhört kraftvoll, die wiederum schmalen, zweizehigen Füße hatten an den Zehen mörderische schwarze Krallen. Rosaper Rospall winselte und japste, schwankte in dem engen ihm zugestandenen Platz und heftete den wilden Blick seiner boshaften Augen auf Maksim.
Erneut ließ Maksim seine Stimme mit lautem Dröhnen erschallen (diesmal allerdings weniger ernst und tief, irgendwie mochte er den jämmerlichen kleinen Schwätzer ganz gern). »Rosaper Rospall, ich verlange von dir: Tu mir kund, wer unter den Göttern gegen mich Pläne schmiedet und wider mich handelt.«
Bei jedem Wort Maksims zuckten Rospalls Arme, fahrig tastete er mit den Händen umher, wimmerte von neuem, indem er wiederholt den glutheißen, unsichtbaren Wall berührte, der ihn umgab. Sein stumpfes Schafsmaul verzerrte sich in einer Weise, daß es dem Betrachter das Auge verwirren und ihm den Magen umdrehen konnte, doch er quetschte einige Wörter hervor. »Niemand arbeiten gegen dich, Chilo, niemand, niemand will, niemand kann, niemand handelt wider dich.«
Maksim schnitt eine verdrossene Miene. Rospall log nie, aber seine Auffassung von Wahrheit war sehr beschränkt. Er überlegte sich die nächste Frage genauer. »Tungjii und Godalau betreiben Machenschaften gegen jemanden, vielleicht gegen mehrere Betroffene. Wer ist es? Wer sind sie?«
»Juh-juh-juh, Plan und Wahn, im Topfe rühr, das Wahre spür, nein-nein, nicht ums Wen sich's dreht, ums Was es geht.«
»Was ist das Was?«
»BinYAHt.«
Maksim riß verblüfft die Augen auf, dann lächelte er und nickte. »Das hätte ich mir denken müssen. Amortis ist auch beteiligt?«
»Amortis Zerstreunis-Vergnügnis, BinYAHt ist der Köder, wen schert's, der Fischer schwänzelt-tänzelt nach ihrer Pfeife, halb zieht sie ihn, die frisch-fröhliche Amortis, halb sinkt er hin. Nein. Für sie kein Gewinn, für sie kein Sinn.«
Maksim nickte, doch das Nicken galt mehr den eigenen Gedanken als Rospalls Äußerungen. »Wer steht im Bunde mit Tungjii und Godalau, wer hat ihnen den Köder hingeworfen, um sich ihres Beistandes zu vergewissern?«
»Im Wind ein Flüstern, Perran-a-Perran, Herr der Herren, Pinranha der Piranhas, er schaffte Einmütigkeit, ein Flüstern im Wind, Jah'takash der Verderbte, er speit Unflat und Drachensaat und Ärgeres in deine Richtung, im Wind ein Kettenklirren, Kettenflirren, der Angekettete Gott, er schüttelt sich, er rüttelt sich, er wendet sich und verpfändet viel in dem Spiel.« Rospall stieß ein johlendes Gelächter aus. »Vom Rest kein Ja, kein Nein, sie schwatzen und schneiden Fratzen, und sie wetten, wer siegen wird, und wann.«
Tief in seinem Innern spürte Maksim ein Zittern der Schwäche, er sah, wie Rospalls
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