Brann 03 - Das Sammeln der Steine
gewöhnlicher dummer kleiner Bub, Jasti.«
In störrischer Verneinung schüttelte Jastouk den Kopf, äußerte sich aber nicht mehr dazu.
Inzwischen waren dem Versteigerer einige Gebote zugerufen worden, man fing niedrig an, mit sechs Kupfermünzen; langsam steigerte er den Preis, indem er der buntscheckigen Kundschaft vor dem Schaugerüst nach und nach kleinere Aufstockungen entlockte, auf dreißig Kupfermünzen. Der Knabe hatte zum Vorteil nur sein geringes Alter; weder sah er besonders hübsch aus, noch wirkte er allzu aufgeweckt, und der Versteigerer schwieg, was etwaige besondere Begabungen oder Tugenden anbelangte.
Der Beauftragte des Schwarzen Hauses streckte fünf Finger in die Höhe: Fünfzig Kupferstücke.
Das schreckte Maksim aus seinem Vorsichhinbrüten. Er hob beide Hände, zeigte sechs Finger. Obwohl er den ersten Schwall von Erinnerung und Erregung mittlerweile verwunden hatte, fühlte er sich dazu außerstande, den Knaben dem Schwarzen Haus zufallen zu lassen; dort hatte man für ein Kind dieses Alters nur eine Verwendung; nur daran zu denken, erzeugte bei Maksim den höchsten Widerwillen.
Der Beauftragte blickte sich um, schnitt ein böses Gesicht. Diese Männer waren es nicht gewöhnt, daß ihnen, hatten sie an einem Angebot Interesse bekundet, jemand einen Strich durch die Rechnung machte. Er überlegte kurz, zeigte dann sechs gerade und einen gekrümmten Finger: Fünfundsechzig Kupferstücke.
Maksim bot achtzig Kupfermünzen.
Der Beauftragte betrachtete ihn diesmal ein wenig ausgiebiger, musterte danach noch einmal den Knaben, zuckte schließlich mit den Schultern und ließ es dabei bewenden. Kleine Rangen ohne sonderlichen Reiz oder besondere Fähigkeiten galten auf dem Sklavenmarkt keineswegs als Seltenheit, und man würde es ihm nicht zum Vorwurf machen, wenn er den Jungen einem anderen Kunden gönnte.
Niemand anderes bot mit, der Versteigerer drosch den Hammer aufs Schallbrett, sprach den Knaben Maksim zu, und das Hinamädchen führte das Kind vom Schaugerüst. Man würde es für Maksim bereithalten, bis er den Preis und die Marktabgabe entrichtete.
Ein anderer Knabe, diesmal älter, wurde auf den Block gebracht, ein stämmiger, sommersprossiger Halbwüchsiger mit langem Oberkörper und kurzen Beinen. »Ein vormaliger Geselle eines Wandergärtners!« rief der Versteigerer, und die Kunden begannen mit dem Bieten.
Maksim ärgerte sich über seinen Mangel an Beherrschtheit und Zurückhaltung, über die Umstände, das Schicksal, was immer es sein mochte, das seine Handlungen beeinflußte. Was soll ich mit ihm machen? Nach Hause schicken? Wahrscheinlich hat die eigene Familie ihn an einen Einkäufer verscherbelt, der zufällig gerade durch die Gegend gereist ist. Er bringt mich bloß in zusätzliche Schwierigkeiten. Ich kann wahrlich nicht noch mehr Scherereien gebrauchen, es steht gegenwärtig alles verdrießlich genug, da ist Jastouk mit seinen heiklen Bedürfnissen, Brombeer mit diesen Dämonenabkömmlingen, von denen sie soviel hält, und Kori geht demnächst von der Schule ab. Ich muß mich bald nach Silili begeben, wenn ich dort sein will, bevor sie heimkehrt. Und zudem gilt's noch den alten Todich zu befreien, die Götter mögen wissen, wieviel es mich kosten wird. Vorzeichen. Alles Vorzeichen. Eine Endzeit nahte. Ein Zeitalter ging zur Neige. Eine Drehung des Rades näherte sich der Vollendung. Es dürfte verdammt ratsam sein, ich gebe auf mich acht, oder das Rad wird mich niederwalzen. Zermalmtes Fleisch als Opfergabe für den Moloch.
Während ringsum das Bieten seinen Lauf nahm, Jastouk unruhig wurde und es ihn ärgerte, nicht im Mittelpunkt von Maksims Aufmerksamkeit zu stehen, beschäftigte sich Maksim mit angestrengten Überlegungen bezüglich der Vorzeichen. Traurig, traurig, traurig. Schwermut drückte ihn, erinnerte ihn an die abgestorbenen Blätter, die auf dem Weg vom Gasthof zum Sklavenmarkt ihre Füße umwirbelt hatten. Welche Bedeutung besaß der Knabe? Befreite und entließ Maksim mit ihm sein früheres Ich, um nun endlich den Pfad zu höherer Reife beschreiten zu können? Doch wieso sollte Reife jemanden wie ihm, der sein Leben verlängern konnte, so lange das Leben ihn interessierte, wichtig sein? Verbarg sich dahinter die Bereitschaft zum Ablassen, zum Sterben? An den Tod dachte er stets mit einem seltsamen Mangel an Gefühlsregung. Bislang hatte er mit allem, was ihm zur Verfügung stand, dem Tod widerstrebt und — mit Branns Hilfe — den Sieg davongetragen.
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