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Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Titel: Brann 03 - Das Sammeln der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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konnte. Maksim schritt zwischen den Flügeln hinein, seine Nasenflügel zuckten. Er empfand den stärksten Widerwillen gegen die gesamte Einrichtung, gleichzeitig jedoch ein gewisses Vergnügen, weil die künstlerische Gestaltung so wunderbar dem entsprach, was im Innern geschah, als wären die Gebäude und ihre Einrichtungen durch einen davon zutiefst abgestoßenen, ungemein boshaften Spötter entworfen worden. Bei der Verwaltung mietete er für Jastouk eine Falkenmaske, während er selbst sich eine schwärzliche Bärenmaske aufsetzte.
    Maskiert und schweigsam wanderten sie zwischen den Käfigen ähnlichen Verschlagen umher, warteten auf das erste Angebot des Versteigerers.

 



 
    Jastouk betrug sich unruhig, er fühlte sich merklich nicht wohl. Wie die meisten männlichen Hetären, die mit Wärtern zusammenarbeiteten oder sich für eines der anerkannten Freudenhäuser betätigten, war er früher, als Kind, selbst nur Fleisch in einem solchen Käfig gewesen, ein braunäugiger, blonder Knabe mit weicher, sanfter Haut wie frische Sahne, der sich gerade gut genug auskannte, um sich zu fürchten, weil er keinen Einfluß darauf besaß, wer ihn kaufte und für welche Zwecke. Aber das war inzwischen lange her, viel länger, als er es sich gerne verdeutlichte. Mittlerweile machten ihm die Jahre zu schaffen, hinterließen in seinem Gesicht und am Körper ihre Spuren. Der Tag rückte näher, an dem die Kunden ihm jüngere, unverbrauchtere Gespielen vorziehen, neue Liebhaber schwieriger für ihn zu finden sein würden; er würde die Preise senken und sich in seiner Lebensführung einschränken müssen. Immer wieder hatte er es so mit anderen seines Gewerbes geschehen sehen, sich dabei gedacht: Mir wird es nicht so gehen, mir doch nicht, niemals. Auf alle Fälle wird es noch lange Zeit dauern, bis ich alt werde, noch viele, viele Jahre lang werde ich nicht alt sein. Diese Stätte erinnerte ihn daran, daß selbige Jahre verstrichen, jedes Jahr rascher als das vorherige; stets dringlicher stellte sich ihm die Aufgabe, für das Alter vorauszudenken, sich einen wirklichen Geliebten zu suchen, mit dem er zusammenbleiben konnte.
    Sie kamen an einem kleinen, blonden Knaben vorbei, der aus nichts als Augen, Ellbogen und stummem Entsetzen zu bestehen schien.
    Maksim spürte, wie an seinem Arm Jastouks Finger zitterten, bemerkte das Umherhuschen seiner verkniffenen Augen. Er erriet den Grund seiner Aufgewühltheit, und es schmerzte ihn, nun mitanzusehen, wie etwas schwand, das er geschätzt hatte, nämlich den wonnigen Gleichmut und die lässige Gefeitheit des Hetären. Heute morgen hatte Jastouk mehrere Fehler begangen, deren größter es gewesen war, die Macht der verdrängten Ängste, die ein Besuch der Sklavenhäuser bei ihm wecken, die Wirkung, die dieser auf sein Gemüt ausüben mußte, zu unterschätzen. Statt mit Verlangen betrachtete Maksim ihn jetzt voller Mitleid, und dieser Wandel stimmte den Magier traurig. Einen Augenblick lang erwog er, den Hetären bei sich zu behalten, nachdem Brann nun fort war und wahrscheinlich nicht wiederkehrte, doch er befaßte sich nur flüchtig mit diesem Einfall. Er war in Jastouk vernarrt, ohne ihn sonderlich zu mögen, keinesfalls liebte er ihn; er hatte niemanden mehr geliebt, seit... Wie lange war es her? Jahrhunderte schienen seitdem verstrichen zu sein. Jahrzehnte waren wenigstens dahingegangen. Wann war es das letzte Mal gewesen? Auf jeden Fall, bevor er sich in Cheonea niederließ. Traxerxes aus Phras. Der alte Trennungsschmerz glich heute gepreßten Blumen, in Umrissen war er noch da, aber ohne den geringsten Rest von Süße. Fünf wildbewegte Jahre, mehr Weh und Wut als ... Alles war fern und verblaßt. Nach Trax hatte er niemanden mehr geliebt. Zu stark hatten Maksims kleine Cheonesen, aus denen er etwas zu machen versuchte, ihn in Anspruch genommen. Keine Zeit ... keine Kraft ... Niemanden. Jastouk eignete sich nicht für eine dauerhafte Bindung. Er mußte zur Zerstreuung herhalten, als angenehme, aber kurzlebige Bekanntschaft.
    Nein, es ist vorteilhafter, nicht darüber nachzusinnen, dachte Maksim, bemühte sich halbherzig darum, Interesse an der Ware vorzutäuschen. Ohne die Ablenkung durch sein Grübeln packte ihn bald Empörung, hilfloser Zorn begann ihn zu beherrschen. Könnte er den Lauf der Welt bestimmen, würde er jeden Sklavenhändler den Schweinen zum Fraß vorwerfen und den Eltern, die ihnen ihre Kinder verschacherten — gleich aus welchen Beweggründen sie es taten

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