Brann 03 - Das Sammeln der Steine
Gruß und schenkte ihr ein breites, freundliches Lächeln. Er wanderte weiter, bis ihn die Wolken verhüllten, die aus dem Westen heranzogen.
Korimenei seufzte und rieb sich mit dem Handrücken die Augen. Nachdem die Sonne vollends gesunken war und sich der Himmel zu samtigem Blauschwarz verdunkelt hatte, schwankte sie zittrig zum Bach und spritzte sich Wasser ins Gesicht. Mit den Händen schöpfte sie Wasser und trank. Sie richtete sich auf und rieb sich den Rücken. Eine Nacht noch, dann hatte sie diese Zumutung ausgestanden. Wozu es gut sein sollte, wußte sie nicht. Sie strich mit den Handflächen über die Schwellung ihres Leibs, machte eine Fratze, kehrte den Hang hinauf zurück zu ihrer Decke.
Der Wunde Mond sank gleichfalls, am Abendhimmel ballten sich Wolken; die Nacht wurde immer finsterer. Korimenei traute ihren Sinnen nicht mehr so recht, doch einige Zeit später — ungefähr um Mitternacht, glaubte sie verspürte sie die erste Wehe.
Kühle Hände umfaßten ihre Schultern, betteten Kori der Länge nach auf die Decke. Die Geburtsgöttin Isayana beugte sich über sie, summte eine Melodie, deren Töne Kori umwallten wie Wasser, auf sie eine beruhigende Wirkung ausübten; von da an schien sie auf einem Polster aus Luft zu schweben, das die Göttin schaukelte wie eine Wiege. Korimenei löste sich aus sich selbst, schaute hinab auf ihren zurückgebliebenen Körper. Inzwischen traten die Wehen in kürzeren Abständen auf. Isayana betastete Koris Leib, und wo sie ihn berührte, war er entblößt. Lautlos kicherte Kori, Götter gäben tüchtige Kammerdiener ab, überlegte sie, sie kamen mit Knöpfen und Schnüren bestens zurecht.
Nach einer Stunde hob Isayana die geplagte Gestalt Korimeneis auf die Füße, brachte sie in die Hocke, stützte sie in dieser Haltung. Aus ihrem Leib wurde, feucht von Blut und Schleim, ein Wesen geboren. Es fiel auf die Decke, duckte sich einen Augenblick zwischen Koris Knie, versuchte dann fortzukrabbeln. Isayana lachte, ließ von Korimenei ab, nahm das Geschöpf auf, umfing es mit sanften Händen. »Oh, oh, oh«, säuselte sie. Mit einer Hand legte sie sich das kleine Lebewesen an den üppigen Busen, mit der anderen Hand streichelte, säuberte sie es. Es war ein winziges, graupelziges Geschöpfchen mit großen Augen sowie schwarzen Händlein und Füßchen, sah aus wie eine Mischung zwischen Frettchen und Krallenaffe.
Rücklings ruhte Korimenei auf der Decke, schaute nur zu, blieb sich darüber im unklaren, wie ihr bei dem, was ihr widerfuhr, zumute sein sollte. Die Eingeweide brannten ihr. Sie hatte dies Geschöpf geboren. Was hatte das zu bedeuten? Was war es für ein Wesen? Was hatte sie getan? NEIN! Was war mit ihr getan worden?
*Das ist eine Mahsar.* Isayanas Stimme klang dunkel und zärtlich, sie sprach in Lauten wie warmer Wind, wenn er durch ein Zugloch wehte, und in Korimeneis Kopf verwandelten diese Laute sich in Aussagen. *Dein Leib hat sie empfangen und genährt, Kind, doch ist sie nicht von deinem Fleisch. Vertreibe deine Befürchtungen, Kind, deine Seele bleibe unbesorgt. Dein Leib ward darauf vorbereitet, sie zu empfangen ...* Isayana wölbte die feingeschwungenen Brauen, in ihren goldbraunen Augen funkelte Belustigung. *Und es war eine angenehme Vorbereitung, oder nicht? Sprich nicht, Kind, dein Erröten ist mir Antwort genug. Dein Körper ward darauf vorbereitet, sie zu empfangen, und sie ward von jenem Ort, wo sie und ihresgleichen hausen, in dein Inneres verbracht. Selbiger Vorgang vollzog sich nach und nach, bis sie vollständig in dir weilte. Ein Band verknüpft sie mit dir, Kori Wartendes Herz, wärst du eine Hexe, sie wäre wie du, aber weil du mehr bist, ist auch sie mehr. Sie besitzt zahlreiche Begabungen und eine noch umfangreichere Vielseitigkeit, deren volles Maß zu entdecken dir obliegt. Sie wird bei dir bleiben, bis deine erste eigene Tochter geboren worden ist und von da an dein Kind beschützen und ihm dienen.* Das Geschöpf noch immer an ihrem Busen, beugte sich Isayana nochmals über Korimenei, gab ihr mit Gesten der Hände die Kleider zurück, so wie der zum Jüngling gewordene Greis, das HirschkuhWeib und der Hirschmann es gemacht hatten. Sie legte die Mahsar in Korimeneis Armbeuge, berührte voller Wohlwollen mit sachten Fingern Koris Schläfe und war im folgenden Augenblick verschwunden, wie Dunst eins geworden mit der Nachtluft.
Langsam, wie im Traum, setzte Korimenei sich hin, schob sich die Mahsar auf den Schoß. Mit der Hand fuhr sie
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