Brann 03 - Das Sammeln der Steine
brachte es dann auf einer Fingerkuppe zum Kreiseln, bis es sich wie der Teig eines Fladenbrots zu einer großen Scheibe verbreiterte. Sie ließ die Glutscheibe auf die Erde fallen. Das Feuer sickerte ins Erdreich und hinterließ neues, frisches, grünes Gras, es sproß reichlich und roch nach Frühling. Abermals lachte Kori, streckte sich neben dem nachgewachsenen Flecken Gras aus, zwar müde, aber außerordentlich zufrieden. Nach einer Weile schlief sie ein.
Der dritte Tag und die dritte Nacht waren vorüber.
6 Sie erwachte in kühlem grünlichen Morgenlicht. Neben ihr stand der Greis. Als sie sich aufsetzte, hielt er ihr eine verbeulte Zinnschale entgegen, gefüllt mit Suppe, in der Kartoffeln und Zwiebeln schwammen. Zuerst verursachte der Geruch Kori Übelkeit, doch dann, mit einem seltsamen inneren Ruck, der sie verdutzte, war urplötzlich alles gut; sie nahm die Schale und zwang sich zu langsamem Essen, obwohl sie gewaltigen Hunger verspürte. Sie verzehrte die Suppe schlückchenweise, nach und nach, kaute und schluckte gelegentlich ein paar Zwiebelringe und ein Bröckchen Kartoffel. Die Wärme des Essens breitete sich in ihr aus, die in den Zutaten enthaltene Erdseele vertrieb die Benommenheit, die ihren Verstand umnebelte. Der Greis kauerte sich zu ihrer Linken ins frische, üppige Gras, schaute zu, lächelte. Kori widmete ihm verlegen etliche Seitenblicke, doch er hatte ganz und gar nichts von jenem rotgoldenen Liebhaber an sich, und ihre Verlegenheit wich. Sobald sie die Schale leergegessen hatte, senkte sie sie auf den Schoß, lächelte den Greis an.
Unter den Bäumen kam Tungjii hervorgeschlendert. Er/sie schnippte mit den Fingern, und Ailiki sprang zu ihm, ihr merkwürdiger, etwas affenartiger Gang wirkte lustig, jedoch war sie zu schneller Fortbewegung fähig. Sie kletterte an Tungjii hinauf wie an einem Baum und hockte sich auf seine/ihre Schulter, begann sich zu putzen und nuschelte ihm/ihr etwas ins Ohr. Die uralte Gottheit, Seher und Spaßmacher, Geber und Nehmer, Mann und Weib, stand zur Rechten Korimeneis, lächelte ihr zu. Er/sie deutete auf die Schale, schnippte ein zweites Mal mit den Fingern.
Korimenei raffte sich hoch. Indem sie sich verbeugte, reichte sie dem Gott die Schale.
Er/sie nahm sie in Hände von überraschender Schönheit, wundervoll gewachsene anmutige Hände mit langen Fingern, die aussahen, als müßten sie zu einem völlig anderen Körper gehören. Er/sie pfiff, indem er Kori zuzwinkerte, ein Stück eines gegenwärtig in Silili sehr beliebten Liedes. Über seinen/ihren Händen entstand eine schimmernde Hohlkugel, sank in die Zinnschale. Im nächsten Augenblick hatte sich die Schale verwandelt. Sie war nun ein bauchiges Glasgefäß; eine dicke, goldgelbe Flüssigkeit füllte das Glas.
Korimenei nahm das Glas, gehorchte dem Wink von Tungjiis Hand: Sie ließ sich im Schneidersitz nieder und trank von der Flüssigkeit. Es handelte sich um ein Gemisch aus Fruchtsäften, süß und säuerlich, kalt und nahrhaft; so wunderbar hatte nicht einmal die Suppe des Alten geschmeckt. Plump setzte sich Tungjii zu Kori, nickte an ihr vorbei dem Greis zu, beobachtete dann mit breitem Schmunzeln, wie sie trank. Die zwei warteten, ohne daß man ihnen irgendwelches Drängen anmerkte, also verwendete Kori so viel Zeit, wie ihr behagte, zum Austrinken des Saftgemischs. Beide freuten sich über ihr Wohlbefinden, und es befriedigte Kori, sie mit ihnen teilen zu können.
Als sie es Tungjii hinstreckte, ergriff er/sie das Glas, verwandelte es in eine Zinnschale zurück, warf es ihr in den Schoß.
Belustigt über das sonderbare Zeremoniell, hob Kori die Schale zwischen die Hände, verneigte sich tief über sie und gab sie weiter an den Alten.
In seinen wie totes Laub braunen Augen glänzte es, auch er verneigte sich, hielt gleichfalls die Schale zwischen beiden Händen, blies hinein und reichte sie Kori zurück. Als sie sie erneut entgegennahm, legte er seine auf ihre Hände, die Berührung war warm und hatte an sich etwas Befreiendes. Er stand auf und strebte davon, entschwand in den Wald.
Korimenei blickte ihm nach, fühlte sich ein wenig verärgert, weil er sich nicht dazu herabgelassen hatte, ein einziges Wort mit ihr zu reden, wenigstens etwas gleichermaßen Rätselhaftes wie Beglückendes, wie er es Gerüchten zufolge bisweilen tat, wenn jemand seinen Berg erstieg. Kartoffelsuppe, sann Kori, liebe Götter ... Kartoffelsuppe? Mit gefurchter Stirn besah sie sich die Schale, fragte sich,
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