Brann 03 - Das Sammeln der Steine
Gelehrtheit. Korimenei gab dem Andrang von Kraft so weit nach, wie sie es durfte, ohne ihren Körper der Gefahr des Verzehrtwerdens und der Einäscherung auszusetzen; daraufhin begann sie abzukühlen, die Hitze umströmte sie lediglich noch, so wie die Wasser im Fluß sie umflossen hatten, als die Weiße Hirschkuh sie zu ihrer Insel mitnahm. Sie hatte sich dem Fluß übergeben, sich gänzlich der Strömung ausgeliefert, von ihr treiben lassen, wohin sie getrieben werden mußte. War das die Lösung? Nein, die ganze Antwort war es nicht. Der Goldene Hirsch hatte sie unter Wasser gehalten, sie gezwungen, davon zu trinken, das Wasser zu einem innerlichsten Bestandteil ihrer selbst zu machen. Sie keuchte, umhüllte sich mit einem wie gläsernen Schirm.
umhüllte sich mit einem wie gläsernen Schirm. Aushalten konnte sie, das sah sie, sobald der Schirm sich um sie schloß. Sie vermochte auszuhalten und zu werden, was Shahntien Shere war, und es wäre kein schlechtes Ergebnis. Keine bloße Mittelmäßigkeit. Aber ebensowenig etwas Majestätisches. Sie starrte in die weißlich-goldenen Flammen, die sie umwaberten, in gluthellen Feuerzungen emporloderten, scheinbar bis an die Wolken. Mehr spürte sie, als daß sie es hörte, wie Ailiki zischte und fauchte, genauso wie sie voller Entsetzen. »Aaah ...«, drang es laut über Koris Lippen. »Tushzi«, rief sie mit einer Stimmgewalt, die der Heftigkeit ihres Verlangens entsprach, ein altes Wort ihrer Rukka-Nagh-Vorfahren, deren Erbe sie tief in den Zellen ihres Körpers trug, ein Wort für Feuer.
»Tushzi vagya!« schrie sie. Ich bin Feuer. Das war ihr zweites Wort. Sie beseitigte die Schirme, warf Ailiki über dem Kopf hoch in die Luft, so daß sie sich überschlug, breitete weit die Arme aus, gab Körper und Seelen dem Feuer hin.
Einen Augenblick lang blieben jeder Gedanke und jede Wahrnehmung aus, schien sie aus nichts als Licht und Hitze zu bestehen. Sie schwamm mit dem Strom der Gewalten, ließ sich treiben, wohin er sie schwemmen wollte, und er schleuderte sie wie in einem Kreislauf durch die vielfältigen Schichten der Wirklichkeiten, zwischen zweimaligem Wimpernzucken schoß sie jeweils in eine Wirklichkeitsebene und hinaus. Die Beförderung erfolgte derartig schnell, daß sie von jeder dieser Ebenen nur verwaschene, bruchstückhafte Eindrücke erhielt, die sich ihrem Gedächtnis für einen späteren Zeitpunkt einprägten, an dem sie sie aufsuchen würde, wenngleich sie gegenwärtig nicht daran dachte, sie je aufzusuchen, sie dachte überhaupt nichts, sie war nur einfach. Unter ihr kreisten Milchstraßen, binnen eines Augenblicks durchmaß sie ein Universum, stürzte in ein anderes Universum und durchquerte es ebenfalls ...
Der Zustrom verlangsamte sich, wurde kühler, Kori zog sich wieder in sich selbst zurück, kehrte heim. Etwas rief sie ohne Worte, Feuersglut pulste, saugte sie ein. Träge fiel sie in die Lohe, als wäre sie der Nieselregen, bliese der launische Wind sie umher, als ob sie geradeso leicht wäre und flüchtig. Wieder fiel sie zurück auf die Weide, kam so gewichtslos auf — genau wie zuvor —, daß sich kein Grashalm regte. Ailiki sprang ihr in die Arme und brummte ein wortloses Willkommen. Kori lachte. Ihre Hände waren durchsichtig, erfüllt von einem Leuchten, so kühl und fahl wie Mondschein. Sie fühlte sich ungeheuer machtvoll, als könnte sie an Geidranays Seite über die Berggipfel wandern, ohne einen Fehltritt zu tun. Gleichzeitig jedoch spürte sie in sich mehr Sanftmut und Liebe, als sie je zuvor empfunden hatte, eine Offenheit, Empfänglichkeit für alles, was sie umgab, eine Annahme all dessen, was auf der Welt vorhanden war, mochte es gut, mochte es schlecht sein, sie ließ alles gelten, erwies ihm Achtung und gestand ihm Würde zu. Sie pflügte die Hände durchs Haar, lachte noch einmal. Ihre Haarspitzen waren versengt, zu verkokelten Borsten geworden, als hätte ihr jemand eine Fackel zu nah an den Kopf gehalten. Sie schaute rundum. Der Untergrund war schwarz verkohlt, wo ihre Traumdecke gebrannt hatte. Laß den Berg so, wie du ihn vorfindest, hat der Greis gesagt. Tja ... Ich muß überlegen.
Noch bevor sie richtig darauf gefaßt war, zuckte Feuer aus ihrer Hand, erschreckte sie; doch sie sah keinen Anlaß mehr zur Furcht. Ohne zu wissen, was sie tun mußte, veränderte sie die Formen des Feuers, warf es von einer in die andere Hand, spielte damit wie ein Jongleur mit seinen Keulen; sie drückte es zu einer Kugel zusammen,
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