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Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Titel: Brann 03 - Das Sammeln der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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du wirklich die Absicht, echtes Geld für neue Kleidung auszugeben?«
    »Mmh-hmm.« Korimenei nahm ein altes Wams vom Haken, streifte es über, strich auf den Hüften das Leder glatt. Sie klaubte Ailiki vom Fensterbrett auf und steckte sie in eine der großen Seitentaschen. »Für leichte, aber würdige Kleidung.«
    »Oho-oho-oho.« Firtina kicherte. »Würdig. Würdig ...« Sie wiederholte das Wort noch zweimal, betonte es jedesmal anders, prustete dabei, schnaufte durch die Stupsnase, während sie die Kammer verließ. Im Flur tat sie einige Schritte, wartete dann auf Korimenei. »Im Ernst«, meinte sie, »hast du schon davon 'ne Vorstellung, was du haben möchtest?«
    Korimenei zog die Tür zu, verschloß sie mit ihrem Siegelzauber und folgte Firtina aus dem Wohnhaus der Oberen Schüler auf die verschlungenen Pfade rings um die Unterkünfte. »Mehr oder weniger das gleiche, wie ich's immer trage«, antwortete sie. »Neu und aus besserem Stoff, mehr verlang ich nicht.«
    Der herbstliche Nachmittag war warm und sonnig; alle Spuren des kurzen Unwetters, das drei Tage vorher getobt hatte, waren beseitigt worden, die Steine unter den Füßen besaßen eine Eigenschaft wie Pulvertrockenheit, ähnlich wie das buntverfärbte Laub, das Schüler des ersten Schuljahrs, die einen Großteil des Tags mit Fegen und sonstigen Säuberungstätigkeiten, Grasstutzen und Unkrautentfernen zubrachten, auf die Trittsteine aus Granit gestreut hatten. Irgendwo zwischen den beschnittenen Eibenhecken plauderten und kicherten zwei Mädchen, während sie in einem Blumenbeet arbeiteten, hatten offenbar mittlerweile viel von ihrer anfänglichen Ehrfurcht vor der hiesigen Stätte verloren, und im Augenblick wohl auch einiges von ihrer grimmigen Entschlossenheit zum Erfolg. Zwei Lehrer schlenderten vorbei, m'darjinische Trommler verständigten sich mit dunklen Kehllauten und weiträumigen Gebärden. Eine Gruppe Schüler im zweiten Schuljahr schritt einen benachbarten Pfad entlang, übte sich unter Anleitung ihres Hilfslehrers — eines Abgangsschülers wie Korimenei und Firtina — im gleichmäßigen, aufeinander abgestimmten Atmen. Kori reckte die Glieder und stieß ein Aufseufzen aus, hob den Kopf, um über die Umfassungsmauer zu spähen. Die Schule hatte ihren Standort nah unterm Gipfel von Selts einzigem Berg; links ragten die vergoldeten Tempeldächer über die Baumwipfel empor, doch überall sonst sah man hinter der Mauerkrone nichts als das Tiefblau des Himmels.
    »Du wirst Röcke brauchen«, sagte Firtina nachdenklich. »Stiefel, Reitkleidung, 'n Umhang, hmmm ...«
    »Röcke, gah. Nein.«
    »Sei nicht albern, Kri. Du weißt genau, daß 's in der Welt Gegenden gibt, wo man 'ne Frau steinigt, trägt sie keinen Rock. Es ist klüger, sich höflicher Rücksicht zu befleißigen, als sich umbringen zu lassen. Außerdem kann ein Rock sich ganz nett anfühlen, wenn er dir um die Füße weht, man kommt sich vornehm und beschwingt vor.«
    »Gah.«
    »Dann laß es eben, geh heim und trag beim Kühehüten deine Hosen.«
    »Igittigitt.«
    »Es ist eine kalte, grausame Welt, in die Shahntien Shere dich hinausschicken wird. Wann findet übrigens die Verabschiedung statt?«
    »In zwei, drei Tagen, 's hängt davon ab, wann ich 'ne Überfahrt bekomme.«
    Sie durchquerten einen engen Torbogen einer dünnen Mauer, die einen Teil der Grünanlagen abtrennte, strebten dann durch die rechteckigen Ziergärten an der Vorderseite der Schulgebäude zum Haupttor. Kurzstielige Sternblumen strotzten von Rosa und Lila, Gelb und Zinnoberrot; weiße Bartnelken umsäumten sie. Im Holz regelrecht auf Hochglanz gepflegte Eichen, Zedern und Pflaumenbäume wuchsen einzeln oder in sorgsam ausgewogenen Dreiergruppen. Rauhem Samt ähnliche Rasenflächen wechselten den Farbton, wenn der launische Wind über sie hinwegsauste und sie kräuselte. Die Trittsteine der verzweigten Gartenpfade hatte man so geschnitten und in den Erdboden eingelassen, daß die Maserung der Marmorplatten eine sich fein abgestimmt ergänzende, endlose Folge von Mustern aus Strängen und Tupfern bildete. An der Stelle der Ziergärten, die den Goldenen Schnitt ergab, sprudelte ein Springbrunnen, ein aus klarem Kristall gehauener Sonnendrache spie aus dem himmelwärts erhobenen Maul einen Wasserstrahl in die Höhe. Korimenei und Firtina schwiegen, als sie diesen Ort erreichten, achteten seinen seit uralten Zeiten bewahrten Frieden.
    Aus seiner Hütte trat der Pförtner, erkannte an den Abzeichen Oberer Schüler

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