Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Brans Reise

Titel: Brans Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
Vom Netzwerk:
der Menge der Tirganer zu erkennen, doch er sah nur deren rote Hände und die Köpfe, die sie an ihre Gürtel gebunden hatten.
    »Hagdar!« Er schob sie zur Seite und begann ihn unter den Gefallenen zu suchen. Hagdar muss leicht zu erkennen sein, dachte er, doch hier lagen nur tote und kopflose Aardmänner.
    Da ergriff Vare seinen Arm. »Du suchst nach dem großen Mann, Tileder? Ich werde dich zu ihm bringen.«
    Er ist tot, dachte Bran, als er zwischen den unzähligen Leichen hindurchging. Ich habe ihn betrogen, denn er gehörte zu meinem Volk und war mein Freund. Er dachte daran, wie Linvi ihn gebeten hatte, auf Hagdar aufzupassen. Auch sie hatte er betrogen.
    Vare führte ihn bis zur Dornenhecke. Viele Tirganer lagen dort und klagten über ihre Wunden. Einige von ihnen hatten bereits Cernunnos’ Stimme gehört und sangen seinen Namen, während sie in den Himmel starrten. Der Skerg trat vorsichtig zwischen sie, doch Bran zögerte. Es waren mehr verwundete Tirganer, als sein eigenes Volk Menschen zählte, und niemals zuvor, nicht einmal bei dem Kampf gegen die Vokker, hatte er so viel Schmerz gesehen. Der Tirganer vor seinen Füßen schwamm von der Brust bis zu seinem Unterleib in Blut, und hinter diesem lag ein anderer, der seinen Umhang um einen blutigen Armstumpf gewickelt hatte.
    »Hier ist er.« Vare kniete hinter einem Hügel aus Schilden und Wasserschläuchen nieder. »Hier ist dein Freund.«
    Bran ging zwischen den Tirganern hindurch. Er schob sich an Kriegern vorbei, die leblos im Gras lagen oder aufgerichtet dasaßen und die Wunden wuschen, die sie sich im Kampf zugezogen hatten. Erst als er sich Vare näherte, erblickte er Hagdar. Er lag auf dem Rücken. Zwei Pfeile steckten in seinem Körper; der eine saß tief im Schenkel, und der andere hatte sich von oben in seine Schulter gebohrt. Der schwarze Bart war voller Speichel, und Hagdars Atem ging unregelmäßig. Doch seine Augen lebten, und als Bran sich neben ihn setzte, wandte er ihm den Kopf zu und lächelte.
    »Es ist gut, dich zu sehen.« Er reichte Bran die Hand, und Bran nahm sie zwischen seine beiden Hände. »Später musst du mir erzählen… Aber jetzt…« Hagdar drehte sich zur Seite und sah auf seinen Schenkel hinab. »Jetzt musst du mir helfen, diese Pfeile herauszuziehen. Tu es jetzt, Bran!«
    Hagdar legte den Kopf zurück, schloss die Augen und zog die Lippen über seinen zusammengebissenen Zähnen hoch.
    »Er hat Recht. Es ist immer am besten, das unmittelbar nach dem Kampf zu tun.« Vare stand auf und winkte mit den Armen über dem Kopf. »Die Männer haben die brennenden Balken des Saals schon zu Lagerfeuern zusammengetragen«, sagte er, als er sich wieder hinhockte. »Sie lassen die Messer heiß werden.«
    Es dauerte nicht lang, bis Tarba mit einem Messer in der Hand angerannt kam. Die Klinge war dünn und krumm. Tarba drehte den Schaft in der Hand, als er das Messer an Bran weiterreichte, damit dieser sich nicht an der rot glühenden Klinge verbrannte.
    »Tu du es«, flüsterte Hagdar. »Ich traue diesem Volk nicht.«
    Bran kroch zu Hagdars Schenkel. Vare erklärte ihm, wie er die Hose aufschneiden sollte, und Bran tat es.
    »Das sind zugleich gute und schlechte Neuigkeiten«, sagte Vare, als sie sahen, wie der Pfeil durch den Schenkel gedrungen war. Er deutete auf die blutige Spitze, die auf der Hinterseite von Hagdars Schenkel durch die Haut kam. »Gut ist, dass er ganz durch den Schenkel gedrungen ist, doch die Widerhaken…« Er umklammerte die Haken hinter der Pfeilspitze. »Sie machen es schwierig, den anderen Pfeil herauszubekommen.«
    Bran verstand das, denn er hatte selbst viele Tiere mit Pfeilen getötet, und wusste, wie er sie herausbekommen musste, ohne das Fleisch zu zerstören. Er brach den Pfeilschaft dicht über der Haut ab und war froh darüber, dass Hagdar nicht jammerte. Vare hielt das Bein des großen Mannes hoch, so dass Bran an die Pfeilspitze herankommen konnte. Er schnitt die Wundränder auf, legte das Messer beiseite und begann, an den Widerhaken zu arbeiten.
    Das Fleisch löste sich, und Blut sickerte unter der Pfeilspitze hervor. Hagdar verhielt sich noch immer ruhig. Als Bran die letzten beiden Widerhaken zu fassen bekam, zog er den Pfeil mit einem Ruck heraus. Er löste sich mit einem kleinen Schwall Blut, und Hagdar fluchte mit Worten, die Bran nie zuvor von ihm gehört hatte.
    »Das ging gut.« Vare riss seinen Umhang in Streifen und wickelte diese um die Wunde. »Der andere wird schwieriger. Wenn du das

Weitere Kostenlose Bücher