Brans Reise
Schatten auf die faltigen und vernarbten Gesichter. Der Mann auf dem Wolfsthron war der Älteste. Sein Bart und seine Haare waren grau.
»Tirga grüßt euch, Skerge von Arborg!« Visikal hob den Arm und streckte ihnen die flache Hand entgegen.
Die drei beugten sich vor, und der Alte auf dem Wolfsthron erwiderte Visikals Gruß. »Ihr seid willkommen, Tirganer, Kampfesbrüder, Freunde.« Er sprach mit heiserer, dunkler Stimme. »Wir kennen eure Kriegspläne. Aus Old-Myre kam ein Bote mit der Nachricht, dass Tirga einen Feldzug gegen die Vandarer unternehmen wird und dass Old-Myre das unterstützt. Die Old-Myrer werden den Landweg nehmen und den Vandarern in den Rücken fallen, sagte er. Und er bat um unsere Teilnahme an diesem Krieg.«
»Die Old-Myrer wollen Rache, ebenso wie wir. Die Vandarer breiten sich auf dem Meer aus. Sie haben bereits eine unserer Inseln verwüstet und meinen Bruder und seine Familie getötet. Sie haben die Tochter meines Bruders als Sklavin genommen.«
Der alte Skerg wurde still. Er lehnte sich auf seinem Thron zurück, und die zwei neben ihm tauschten Blicke aus. Die Männer an den Tischen murmelten. Da stand der Skerg auf dem Schlangenthron auf und stieg zu Visikal hinunter.
»Unsere Schiffe sind bereits zum Krieg gerüstet.« Er zeigte mit der Hand auf die Arborger, die begannen, ihre Krüge auf die Tische zu schlagen. »Wir haben viele Jahre gewartet, um zu rächen, was geschehen ist, und jetzt glauben wir, dass die Zeit gekommen ist. Und wenn du sagst, dass sie deine Nichte versklavt haben, kannst du dir sicher sein, dass auch Blutskalle dich unterstützen wird. Aber es ist spät und Zeit, schlafen zu gehen. Darüber sollten wir erst morgen sprechen.«
Bran schlüpfte in die Reihe zurück, denn jetzt gingen Visikal und der Skerg an den Tiledern entlang. Sie traten an ihm vorbei und verschwanden draußen im Regen. »Folgt ihnen!«, rief Ylmer, und die Reihe setzte sich wieder in Bewegung. Alle wandten sich zur Tür, und so tat Bran es ihnen gleich. Sie traten über die Türschwelle, schlugen die durchnässten Umhänge um sich und gingen mit gebeugten Rücken über den Platz auf den gegenüberliegenden Saal zu. Dort öffnete sich die Tür, und bärtige Männer winkten sie in einen warmen Duft von Fleischsuppe und Torffeuer.
Hier standen keine Throne und auch weit weniger Tische. Die bärtigen Männer – wie Bran verstand, ihre Wirtsleute – zogen die Stühle von den Tischen zurück und baten die Tirganer, sich zu setzen. Bran erhielt einen Platz an einem Tisch nah an der Wand, gleich neben einer der zahlreichen glühenden Feuerstellen. Die Arborger füllten die Krüge in großen Fässern und drehten das Schafsfleisch, das bereits golden und knusprig über dem Feuer hing. Jetzt, da er sich gesetzt hatte, bemerkte er, wie müde er war. Auch Nosnavar und Vosnabar, gegenüber von ihm, gähnten.
Bran hob seinen Krug. Er sah aus wie eine kleine Tonne und bestand aus zusammengebundenen Holzstäben. Er roch an dem Getränk, betrachtete den schmutzig weißen Schaum und probierte. Es war Met, wie erwartet. Das Getränk der Geschichtenerzähler, pflegte der Vogelmann immer zu sagen. Nur einmal zuvor hatte er diesen Trank gekostet. Auch damals hatten die kleinen Schaumbläschen auf der Zunge gebrannt. Winzige Honiggeister tanzten die Kehle hinunter.
»Es wird ein gewaltiger Krieg werden«, sagte Nosnavar plötzlich.
Bran sah von seinem Krug auf. Die Honiggeister sprangen in seinem Hals nach oben und ließen ihn rülpsen. Der Tileder kümmerte sich nicht darum. Nosnavar zog die Blicke der anderen am Tisch auf sich, ehe er wieder zu Bran hinübersah.
»Du bist neu unter uns, Bran, und kennst die Geschichte von Blutskalle noch nicht.«
»Geschichte?« Bran stellte den Krug wieder hin.
Nosnavar musterte Vosnabar, der zustimmend nickte.
»Ja«, fuhr er fort und beugte sich mit einem tropfenden Stück Fleisch in den Händen vor. Es ging ein Zucken durch die vernarbte Haut über seinem blinden Auge. »Blutskalle ist Arborgs höchster Skerg, wie Visikal bei uns. Doch er hat nicht drei Frauen, mit denen er es sich bequem machen kann wie unser alter Visikal. Blutskalle ist ein einsamer Mann, der gerne für sich allein ist und seinen Hass pflegt.«
»Er hat einen guten Grund zu hassen«, fügte Vosnabar hinzu. Sein Pferdeschwanz rutschte über seine Schulter, als er sich an der Seite seines Bruders nach vorne beugte. »Erzähl es, Bruder!«
Nosnavar sah sich um und senkte die Stimme. »Vor vielen
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