Brans Reise
Booten streckten dem Kind ihre Speere entgegen, doch Hagdar saß wie festgenagelt auf der Ruderbank und starrte ins Wasser hinunter. Erst jetzt schien der Junge zu verstehen, was er getan hatte. Das Grinsen wich blanker Furcht, als sich das Wasser zwischen den Booten kräuselte und unklar wurde. Nosser sprang ins Wasser, als die Flosse die Wasseroberfläche durchbrach. Bran hörte die Schreie der Frauen. Nosser erreichte seinen Sohn und umklammerte ihn, während der Hai dicht unter der Wasseroberfläche herumschwamm.
»Nicht werfen!«, schrie Hagdar. Die Männer rauften sich die Haare. Sie wussten ebenso gut wie Hagdar, dass Blut nur den ganzen Schwarm anlocken würde. Der Hai kreiste langsam an den Booten entlang, als wollte er die Landtiere in seiner Mitte ermüden.
»Ich kann rausschwimmen«, flüsterte Ken.
»Niemand tut hier irgendetwas.« Bran beobachtete den Hai, als er am Boot vorbeischwamm. Er war nicht groß, vielleicht so lang wie zwei Männer. »Von dir weiß ich das Hagdar. Haie greifen nicht an, solange ihre Beute still im Wasser liegt.«
»Der wartet auf die anderen.« Hagdar beugte sich vorsichtig über die Reling. »Es ist ein Sandhai. Die greifen selten allein an. Ich möchte wetten, dass der Rest seines Schwarms ein paar Mastlängen unter uns wartet, um zu sehen, ob die Beute es wert ist, gefressen zu werden.«
»Wir dürfen die Speere nicht werfen. Das Blut wird nur noch mehr Tiere anlocken.« Bran sprach zu sich selbst. Der Hai schwamm jetzt in immer engeren Kreisen. Bran hatte genug Raubfische gesehen, um zu wissen, dass der Hai bald nach vorne schießen und seine Beute in die Tiefe ziehen würde. Zwei Boote entfernt stand Dielan und sah ängstlich zu Bran herüber, während die Knöchel der Hand, die den Speer umklammerten, weiß hervortraten. Bran wusste, dass er etwas tun musste. Er sah die anderen an. Alle starrten ihn an. Er war der Häuptling.
Tiene hing über dem Dollbord und streckte ihrem Mann und ihrem Sohn die Hände entgegen. Sie schrie ihnen zu, doch Nosser lag, so ruhig er nur konnte, im Wasser. Wenn er jetzt mit den Beinen trat, würde der Hai das als Fluchtversuch seiner Beute ansehen und angreifen.
»Wir müssen sie herausholen.« Ken lehnte sich neben Hagdar über den Bootsrand. »Noj hätte ihn mit Pfeilen beschossen.« Er spähte zu Bran hinüber. »Du musst sie herausholen, Häuptling.«
Bran stellte einen Fuß auf das Dollbord. Das Wasser zwischen den Booten war glatt und voller Schatten. Es erschreckte ihn, er wich zurück und trat dabei gegen das Tau, das unter dem Steuer lag. Es war ein dickes Seil mit roten und weißen Fasern, ein Tauwerk, wie es nur in Kels geflochten werden konnte. Die Männer in den anderen Booten hatten ihre Speere gesenkt; alle warteten darauf, was er tun würde. Bran hob das Ende des Seils an. Dann holte er tief Luft und band eine lose Schlinge.
»Was hast du vor?« Hagdar packte seinen Arm. »Willst du ihnen das Seil zuwerfen?«
»Halt das Ende fest.« Bran lehnte sich aus dem Boot hinaus und ließ die Schlinge ins Wasser hinabsinken. Der Hai glitt langsam heran.
»Das klappt nicht, Bran.« Hagdar schüttelte den Kopf. »Ein Schwein kannst du vielleicht mit diesem alten Trick fangen, aber das da ist ein Raubtier.«
Da schoss der Hai aus der Tiefe nach oben. Bran zog die Schlinge über den schwarzen Rachen und taumelte ins Boot zurück. Der Hai legte sich auf die Seite und zog die Schlinge mit. Das Seil glitt über den Bootsrand, und Ken warf sich geistesgegenwärtig auf das andere Ende des Taus am Achtersteven.
»Wir haben ihn gefangen.« Bran trat einen Schritt zurück. »Wir müssen ihn einholen. Halte den Speer bereit, Hagdar. Wir müssen…«
Das Tau straffte sich um sein Bein. Hagdar ließ den Speer fallen, um ihn festzuhalten, doch es war zu spät. Bran versuchte noch, die Ruderbank zu packen, doch das Seil warf ihn zu Boden und zog ihn über den Bootsrand. Er spürte das Wasser um seinen Körper herum und kniff die Augen zu. Das Tau zog ihn in die Tiefe. Er schrie und schluckte Wasser, und als er glaubte, sein Kopf müsse unter den Wassermassen zerspringen, wurde alles still. Er zwang sich, die Augen zu öffnen. Um ihn herum wimmelte es von Haien. Sie kamen mit ihren aufgerissenen Rachen und ihren toten Augen direkt aus der bodenlosen Tiefe unter ihm. Der graue Körper am Ende des Seils zappelte und schlug mit dem Schwanz. Bran versuchte zur Oberfläche zu kommen, in Richtung der Boote, die über ihm dümpelten. Seine Brust
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